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von Celica78 » 26. Aug 2012, 13:49
«Es war keine Affekthandlung»
Heinz Hermann, der Sportchef des Super-League-Klubs FC Luzern, bestreitet, dass die Entlassung von Trainer Murat Yakin überhastet war. Er sagt, die Zusammenarbeit mit dem früheren Leistungsträger des FC Basel habe nicht wie erhofft gefruchtet.
Interview: Flurin Clalüna, Christine Steffen
NZZ am Sonntag: Heinz Hermann, Sie waren früher selber Trainer und wissen, wie es ist, entlassen zu werden. Jetzt hat der FC Luzern Murat Yakin freigestellt, und Sie tragen Mitverantwortung. Was ist schwieriger?
Heinz Hermann: Es sind andere Aufgaben. Die Optik ist unterschiedlich. Wenn man von einem Entscheid überzeugt ist, fällt es einem leichter. Es gibt immer menschliche Komponenten. Aber das gehört dazu. Damit muss man umgehen können, sonst ist man als Sportchef fehl am Platz.
Waren Sie sich sicher, dass die Entlassung der einzige gangbare Weg war?
Es gibt immer andere Möglichkeiten. Wir haben uns so entschieden, der Entscheid ist für mich richtig.
Vor wenigen Wochen hat sich der FCL noch mit dem Gedanken beschäftigt, den Vertrag mit Yakin zu verlängern. Luzern wurde Zweiter und war im Cup-Final. Jetzt hat man sich vom Trainer getrennt. Alles ging sehr schnell.
Ich arbeite erst seit Mai für den FC Luzern. Ich bin in einen laufenden Prozess eingetreten, habe mich eingearbeitet, alles beobachtet und analysiert.
Aber Yakin stand doch erst seit sehr kurzer Zeit auch intern in der Kritik.
Nein, das mag von aussen so den Anschein gemacht haben. Aber es ist wie immer: Nur wer intern beteiligt ist, weiss, was wirklich Sache ist.
Hat der Prozess, der zu Yakins Entlassung geführt hat, also in Wahrheit schon viel früher begonnen? Diesen Eindruck muss man bekommen.
Welchen Eindruck Sie haben, kann ich nicht beurteilen. Ich möchte auch nicht in die Details gehen. Was war, ist vorbei. Wir schauen nach vorne und wollen wieder in Ruhe arbeiten können.
Trotzdem: Der Eindruck, dass der FCL im Affekt handelte, als er Yakin freistellte, ist also falsch.
Es war keine Affekthandlung, ganz sicher nicht. Man hat ja im Europacup-Spiel gegen Genk gesehen, dass in dieser Mannschaft vorher etwas nicht gestimmt haben muss. Die Körpersprache und der Teamgeist waren plötzlich wieder ganz anders.
Schon als Sie Ihre Stelle als Sportchef antraten, gab es die Befürchtung, die Alphatiere Yakin und Hermann würden sehr rasch aneinandergeraten. Das hat sich jetzt bewahrheitet.
Ich habe diesen Job nicht mit der Absicht begonnen, Konflikte auszutragen. Von meiner Seite her waren Reibungen nicht programmiert, solche Gedanken hatte ich nicht. Aber die Zusammenarbeit hat nicht so gefruchtet, wie wir gehofft hatten.
Hat sich das Verhältnis zwischen Ihnen und Yakin in letzter Zeit verändert?
Der Trainer wollte andere Spieler, aber unsere Politik sieht aus wirtschaftlichen Gründen einen anderen Weg vor. Wir haben gar nicht die Möglichkeit, teure Spieler zu kaufen. Wir sind uns bewusst, dass der FCL nicht den realistischen Anspruch haben kann, in jeder Saison Zweiter zu werden. Alle wussten, was finanziell drinliegt und was nicht.
Nur Yakin nicht? Hat man ihm den finanziellen Spielraum nicht von Anfang an schon so mitgeteilt?
Doch, natürlich.
Und Yakin wollte das nicht akzeptieren?
Das sagen Sie. Ich habe kein Interesse daran, jemanden anzuschwärzen, so funktioniere ich nicht.
Yakin war fast jedes Mal in den Schlagzeilen, wenn irgendwo in der Super League ein Job frei wurde. War das störend für den Verein?
So wie ich es wahrgenommen habe, war es störend, ja. Es gab jedes Mal Unruhe und Verunsicherung.
Haben Sie sich mit Yakin einmal darüber unterhalten?
Ja, wir haben einmal darüber gesprochen. Aber ich habe keinen Einfluss darauf, was ein Gesprächspartner daraus macht, wenn ich ihm etwas mitzuteilen versuche.
Haben Sie Yakin darauf aufmerksam gemacht, dass die Unruhe für den Verein schädlich ist?
Ich habe ihm aufgezeigt, welche Wirkung die Schlagzeilen haben.
Sie haben mit Ryszard Komornicki einen Trainer engagiert, der ganz anders ist als sein Vorgänger. Yakin stand für Glamour, Komornicki wirkt wie ein bescheidener Arbeiter. War es ein bewusster Entscheid, auf eine ganz andere Trainerpersönlichkeit zu setzen?
Nein. Komornicki ist für diese Phase einfach der richtige Chefcoach. Aber es stimmt, die beiden Trainer sind sich sicher nicht sehr ähnlich.
Komornicki hat einen Vertrag bis Ende Saison. Ist er auch Ihr Trainer für die Zukunft?
Wichtig ist, dass Komornicki jetzt der richtige ist.
Gab es nie die Idee, dass Sie selber für fünf Spiele als Trainer einspringen?
Das wollte ich auf keinen Fall, und das habe ich dem Verein so mitgeteilt. Es wäre auch politisch nicht klug gewesen. Es hätte sofort geheissen, ich habe selber Trainer werden wollen.
Sie haben im Januar 2011 einen Herzinfarkt erlitten. Gab es in den letzten Tagen nie die Angst, dass Ihnen der Stress zu nahe gehen könnte?
Nein, überhaupt nicht. Das ist nur noch eine Erinnerung. Ich war mir bewusst, womit ich mich mit meiner Arbeit beim FCL konfrontiere. .
Stierli: «Es war ein zu grosses Paar Schuhe»
Am Anfang war die Begeisterung so gross, dass Murat Yakin Geld ausgab, um den FC Luzern trainieren zu können. 200 000 Franken betrug 2009 die Ablösesumme vom FC Thun; der Coach beteiligte sich am Betrag. Damals schien es, als seien zwei zusammengekommen, die schon lange zueinander wollten. In Luzern spielte Murats Bruder Hakan; es heisst, er habe so lange am Stuhl des damaligen Trainers Rolf Fringer gesägt, bis dieser entlassen wurde. Klar ist: Der frühere Präsident Walter Stierli sonnte sich im Glanz der Brüder. Wo die Yakins sind, ist immer auch ein bisschen Glamour. Das passte zu Stierli und seinem Verständnis vom Klub.
Nach der 0:2-Niederlage gegen GC am letzten Sonntag bekam Stierli einen Anruf vom Verwaltungsrat des FCL; so gehe es nicht weiter mit Yakin, hiess es. Stierli willigte sofort ein, den Coach zu entlassen. Er ist mittlerweile Präsident der Holding «Löwen Sport und Event AG», der «Hausbank» des FC Luzern. Das Fass zum Überlaufen gebracht hatte die Pressekonferenz nach dem Spiel gegen GC. Er müsse «irgendwelche Challenge-League-Spieler reaktivieren», hatte Yakin gesagt.
Die Aussage erzürnt Stierli heute noch, sie steht aber nur für einen Konflikt, der sich seit längerem aufgebaut hatte. Stierli spricht von Yakins Ansprüchen, die ausserhalb des finanziellen Spielraums des Klubs gewesen seien. «Es war ein zu grosses Paar Schuhe», sagt er. Es mag richtig sein, dass die Vorstellungen der Klubverantwortlichen und des Trainers auseinandergingen. Aber es gab weitere Faktoren, die das Zerwürfnis förderten. Anfang Mai nahm Heinz Hermann die Arbeit als Sportchef im FCL auf, der Posten war bis dahin nicht besetzt gewesen.
Auch Hermann wurde von Stierli geholt; auch er war ein Wunschkandidat. Man hatte sich wiederholt auf Ibiza getroffen, wo Hermanns Frau eine Ferienanlage führt. Yakin, der sich vor allem mit dem Präsidenten ausgetauscht hatte, hatte plötzlich einen neuen Ansprechpartner. Yakin sei an keinen Sportchef gewöhnt gewesen, sagt Stierli, es sei zu Spannungen gekommen, die beiden hätten sich gegenseitig zerrieben. Das FCL-Gefüge war mit dem Rücktritt des Präsidenten Ende letzter Saison und dem Zuzug des Sportchefs aus dem Gleichgewicht geraten.
Als es darum ging, das Spannungsverhältnis aufzulösen, hatte der Sportchef die besseren Karten. «Trainer sind heute eine kurzfristige Sache», sagt Stierli. Mit dem Sportchef Hermann will man hingegen langfristig professionelle Strukturen schaffen. Wenig Gefallen fand man auch daran, dass Yakin oft in den Schlagzeilen war, wenn ein Trainerposten frei wurde. «Es war auffällig, dass immer nur einer Thema war und die anderen neun Trainer nicht», sagt Stierli. Auch das gehört neben Talent und Glamour zu den Yakins; wo sie sind, ist selten Ruhe.
Mit Ryszard Komornicki wurde nun bis Ende Saison der Gegenentwurf eingestellt, ein bescheidener und günstiger Coach. Ob er allerdings der Trainer der Zukunft ist, ist fraglich. Es gibt Stimmen im Verein, die von einer Übergangslösung sprechen. Die Zeit mit den Yakins nennt Stierli «eine gute Ära». Um anzufügen: «Aber jetzt ist sie vorbei.» Das tönt nicht nach einem sentimentalen Abschied.
Christine Steffen