Lustenberger: ''Jeder geht an seine Grenzen''
Mit dem FC Luzern befindet er sich auf einem Höhenflug. Im Interview mit 4-4-2.com erzählt Claudio Lustenberger, was die Innerschweizer momentan so stark macht, ober er Angst vor einem neuerlichen Absturz hat und wo er am Ende mit dem FCL stehen möchte.
4-4-2.com: Claudio Lustenberger, vor der Saison redete man von Basel, YB, dem FCZ und Sion, aber selten von Luzern. Nun sind sie mit 6 Punkten Vorsprung Tabellenführer. Hätten sie damit gerechnet?
Claudio Lustenberger: Ich wusste schon, dass wir ein gutes Team haben, aber dass der Abstand nun so gross ist, damit habe ich nicht gerechnet. Aber wir haben in der Vorbereitung und auch unter der Woche sehr gut gearbeitet, deshalb kassieren wir nicht mehr so viele Tore.
Sie sprechen die Gegentore an: In dieser Saison gab es erst deren vier, und dies obwohl mit Dusan Veskovac und Elsad Zverotic zwei Stammkräfte den Verein während dem Sommer verliessen. Woher kommt die defensive Stabilität bereits in dieser frühen Phase der Saison?
Der Trainer hat das Augenmerk vor allem auf die Defensive gelegt. In der täglichen Arbeit legen wir viel Wert auf das Positionsspiel. Es geht darum, dass die Viererkette gut funktioniert. Hinzu kommt, dass Sally Sarr ein super Ersatz ist. Er ist unglaublich zweikampfstark.
Ausser der Defensive, was augenscheinlich ist, wo liegen die Stärken dieser Mannschaft?
Wir sind nicht mehr so einfach auszurechnen. Hinzu kommt die Breite des Kaders. Wir haben Leute auf der Bank, welche Matches entscheiden können. Und obwohl wir defensiv ausgerichtet sind, haben wir grosses Offensivpotential. Da wir nicht mehr so viele Gegentore erhalten, reicht auch mal ein oder zwei Tore für den Sieg.
In der Mannschaft gab es einige Veränderungen. Die Neuzugänge haben bisher eine tolle Saison gespielt. Sind sie der Grund für den momentanen Höhenflug?
Nicht nur. Auch die Jungen konnten in der Vorbereitung und in den Trainings viel dazulernen. Natürlich haben wir gute Transfers gemacht. Adi Winter hat eingeschlagen, auch Jahmir Hyka. Durch sie wurden wir punktuell verstärkt. Es ist aber so, dass die Mannschaft insgesamt sehr geschlossen ist.
Sie sprechen die Geschlossenheit an. Auffallend bei Luzern ist, dass kein einziger aktueller Stammspieler einer Nationalmannschaft im Kader steht. Macht die Tatsache, dass Luzern nicht von Einzelspielern abhängig ist, diese Mannschaft so stark?
Das ist sicherlich ein Plus. Jeder erledigt seine defensiven Dienste gut. Unter der Woche arbeiten wir sehr hart und gezielt und diese Arbeit ist es, welche uns so stark macht. Der Trainer geht mit jedem Spieler ins Detail. Hinzu kommt, dass jeder während dem Match an seine Grenzen geht. Unser Spielstil ist sehr laufaufwändig, so kommt es praktisch nie vor, dass ein Spieler am Ende der 90 Minuten keine Muskelkrämpfe hat.
Sie spielen seit 2006 beim FC Luzern und haben in dieser Zeit unter verschiedenen Trainern gespielt. Was unterscheidet Murat Yakin von den anderen Trainern wie Rolf Fringer oder Ciriaco Sforza?
Das ist schwierig zu sagen, jeder Trainer hat seine Stärken. Murat geht aber extrem stark ins Detail, vor allem im Taktiktraining. Er zeigt in der Spielanalyse sehr genau, wo die Fehler liegen und arbeitet mit jedem Einzelnen gezielt daran. Es geht dabei manchmal um einen oder zwei Meter im Positionsspiel. Er legt sehr grossen Wert auf das Taktische, in diesem Bereich kennt er sich ja als ehemaliger Verteidiger auch bestens aus.
In den Medien war vor allem die Kombination Yakin/Yakin ein Thema. Habt ihr Spieler vielleicht auch etwas davon profitiert, dass der Fokus hauptsächlich auf den beiden lag?
Das denke ich nicht. Die Mannschaft hat davon nicht viel mitbekommen. Im Team ist das gar kein Thema, das wurde von den Medien aufgebauscht. Wir wussten ja, was Murat und Hatsch in der Vergangenheit geleistet haben. Sie verhalten sich beide sehr professionell, niemand wird bevorzugt.
Sie kennen die Position als Tabellenführer ja vom letzten Jahr. Damals habt Luzern die Liga mit Offensivfussball verzaubert und hatte ein Torverhältnis von 29:10 nach 10 Runden. In dieser Saison habt ihr weniger Tore geschossen, aber auch weniger kassiert (17:4). Ist es wirklich so einfach, die Unterschiede zwischen den beiden Mannschaften auf die verbesserte Defensive herunterzubrechen?
Nein, nicht nur. Wir können nun in gewissen Situationen das Spieldiktat übernehmen. Spielerisch sind wir einen Schritt weiter. Letzte Saison haben wir vor allem mit einem starken Mittelfeldpressing agiert und waren hinten dadurch anfällig. Zudem spielten wir auf Konter, was im Stadion Gersag auch noch möglich war. In der swissporarena versuchen wir nun, öfters das Spieldiktat zu übernehmen.
Nach dem Wintermeistertitel ging es bergab. Haben Sie Angst, dass diese Saison wieder dasselbe Schicksal blüht?
Nein, das nicht. In der letzten Saison hatten wir in der Hinrunde das Momentum auf unserer Seite, in der Rückrunde hatten wir neben Verletzungssorgen teilweise auch Pech. Momentan läuft es einfach rund. Uns kann niemand vorwerfen, dass wir nur Glück hatten. Die Meisterschaft ist aber sehr eng, es kann sehr schnell gehen.
Ist der letztjährige Absturz aktuell in der Mannschaft ein Thema?
Nein, wir konzentrieren uns immer nur auf das nächste Spiel. Es ist aber gut, dass einige im Team sind, welche die letzte Saison miterlebt haben und so Erfahrungen sammeln konnten. Wir müssen einfach auf dem Boden bleiben und hart arbeiten, der Kampf um einen Stammplatz ist dabei sicherlich hilfreich.
Hat Luzern Ihrer Meinung nach das Zeug dazu, Schweizer Meister zu werden?
Das ist schwierig zu beantworten, das ist noch viel zu weit weg. Alles ist sehr nahe zusammen, wir waren zum Beispiel beim Sieg in Lausanne mit dem Tor in der Nachspielzeit die glücklichere Mannschaft. Gegen Ende der Meisterschaft werden Basel und YB vorne anzutreffen sein. Wir wollen aber unter die ersten vier, wollen nächste Saison europäisch spielen. Wichtig dabei ist, dass wir von schlimmen Verletzungen verschont bleiben, da wir noch nicht die Kadertiefe wie z.B. Basel haben. Aber wir haben momentan eine super Stimmung im Team, da fallen einem beispielsweise auch die Laufeinheiten leichter.
In einer Umfrage unter den 4-4-2.com-Usern glauben nur 15% an den Meistertitel, über 40% sehen den FC Luzern dagegen zwischen Platz 4 und 8. Glauben Sie, dass ihr in der Öffentlichkeit noch immer unterschätz werdet?
Nein, nicht unbedingt. Wenn man die Mannschaften nach dem Budget sortiert, geht das Ende Saison in etwa immer auf. Das ist so in den Köpfen. Basel, Zürich und YB sind die “Grossen“. Aber ich will unbedingt europäisch vertreten sein nächste Saison. Letztes Jahr sind wir in der ersten Runde ausgeschieden (in der Europa-League-Quali gegen Utrecht, Anm. d. Red.), das hat mich genervt.
Schauen wir noch etwas voraus. Am Sonntag steht bereits das nächste Spitzenspiel in Bern an. Aus den letzten 21 Begegnungen gab es nur gerade 4 Siege. Was ist das Rezept gegen euren ''Angstgegner'' YB?
Das wird uns der Trainer sicherlich noch verraten. Aber Sie haben recht, YB war bisher immer Favorit. Jetzt sind wir aber einen Schritt weiter, nähern uns auf Augenhöhe und müssen nicht mehr denken ‘hoffentlich verlieren wir nicht‘. Die Berner sind aber immer noch eine Nummer grösser, haben mehr internationale Erfahrung. Zudem war es so, dass sie lange das einzige Team mit Kunstrasen waren. Wir werden diese Woche sicherlich noch auf Kunstrasen trainieren. Wir müssen uns aber nicht verstecken, wir sind auf dem guten Weg
Von Adrian Ehrat