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Schweiz - Türkei

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Beitrag von Admin » 18. Nov 2005, 21:29

So, bevor es hier eskaliert und ev. geltende Gesetze gebrochen werden, wird der Thread geschlossen.

Weitere Diskussionen bitte per PN.
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Beitrag von Admin » 20. Nov 2005, 14:22

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Beitrag von Admin » 20. Nov 2005, 20:58

Ein interessanter Artikel aus der heutigen NZZ am Sonntag:

Waren Rechtsnationalisten die Drahtzieher?

Hintergründe der Prügelszenen in Istanbul

Die türkische Presse fragt nach den Hintergründen der Prügelei mit den Schweizer Fussballern in den Katakomben des Fenerbahce-Stadions. Dort sollen Rechtsnationalisten am Werk gewesen sein. Immer stärker in schiefes Licht gerät der türkische Nationaltrainer Fatih Terim, der nachweisbar Verbindungen zu den Rechtnationalisten unterhält.

Die respektlose Behandlung der Schweizer Fussballer von der Ankunft in Istanbul bis zu ihrem Abflug hat der türkische Nationaltrainer Fatih Terim mit den «respektlosen Ereignissen beim Hinspiel in Bern» begründet. Die Schweizer Fans hätten in Bern auf die türkische Nationalhymne mit Buhrufen reagiert, erläuterte er. Mit solchen Äusserungen heizte Terim die Stimmung in Istanbul an. Die türkische Presse kritisierte ihn am Samstag und hinterfragte erstmals seine Motive. Terim soll ein enger Freund des rechtsnationalistischen Politikers Mehmet Agar sein, schreibt die auflagestarke Tageszeitung «Sabah». Das macht sein Verhalten, zumindest in der Türkei, nachvollziehbar.

Aus Rechtsnationalisten setzte sich offenbar auch die angeblich «spontane Demonstration» des wütenden Flughafenpersonals zusammen, die letzten Dienstag die Schweizer Delegation mit Schmähungen am Flughafen empfing. Die Gewerkschaft des Flughafenpersonals wird in Istanbul von der rechtsextremen Nationalistischen Aktionspartei (MHP) kontrolliert. Von der Ankunft der Schweizer Delegation an habe man eine gewaltbereite Atmosphäre geschaffen, nach dem Motto: Es ist gut, wenn wir sie ein wenig einschüchtern, wenn wir auf sie ein wenig einschlagen, schreibt der türkische Journalist Mehmet Ali Birand. Wie in einem Puzzlespiel setzen sich die Details zu einem Bild zusammen, das die Schläger im Istanbuler Stadion in Verbindung mit dem wohl hässlichsten Teil der nationalistischen Bewegung der Türkei zeigt.
Nichts mit Fussball zu tun

Wie «Sabah» nun in der Ausgabe vom Samstag enthüllt, sind die Schweizer Spieler in der Katakombe vor allem von zwei Männern namens Yasar Aydin und Ali Kiratli geschlagen worden. Beide Schläger verfügten über den «roten Ausweis» des türkischen Fussballverbandes, der seinen Trägern Zutritt in alle Räume des Stadions ermöglicht. Beide haben mit Fussball aber nichts zu tun. Yasar Aydin und Ali Kiratli hätten auch türkische Sportjournalisten zusammengeschlagen, beschwerte sich der Sportredaktor der türkischen Agentur Diha, Fahig Gürses. Sie hätten den Kameraleuten Filmmaterial weggenommen.

«Was um Gottes willen haben diese Personen im Stadion zu suchen?», fragte am Samstag der einflussreiche Kommentator von «Sabah», Fatih Altayli, und forderte eine Antwort vom Chef des türkischen Fussballverbands, Levent Bicakci. Das Skandalspiel vom Mittwoch droht nun unerwartet weite Kreise in der Türkei zu ziehen. Yasar Aydin und Ali Kiratli werden nämlich in Verbindung gebracht mit dem Mafiaboss Sedat Peker, der seinerseits im Ruf steht, mit dem sogenannten «tiefen Staat» der Türkei verfilzt zu sein. Der «tiefe Staat», auf Türkisch derin devlet, ist ein Schattenstaat. Er setzt sich zusammen aus Elementen der Sicherheitskräfte, aus Kreisen der Justiz und aus Mitgliedern der rechtsnationalistischen Bewegung, die sich als «Retter der türkischen Nation» betrachten und die nicht zögern, sich auch ausserhalb des Rechts zu bewegen, angeblich im Namen von Staat und Nation.
Einflussreich und gefährlich

Wie weit diese Leute zu gehen bereit sind, zeigte ein Autounfall beim Städtchen Susurluk Mitte der neunziger Jahre. Im verunglückten Wagen sassen ein Polizeidirektor neben einem Heroinhändler und einem kurdischen Stammesführer. Ein dubioser Bombenanschlag am 9. November 2005 im kurdischen Städtchen Semdinli lässt befürchten, dass diese Kreise wieder verstärkt aktiv sind.

In jedem Land gebe es einen Staat, erklärte unlängst Süleyman Demirel - «in unserem Land aber gibt es zwei». Sobald der offizielle Staat - aus welchem Grund auch immer - sich aus einem Gesellschaftsbereich zurückziehe, werde das Vakuum vom zweiten, unsichtbaren, «tiefen» Staat gefüllt. Demirel muss es wissen. Er war mehrfach Regierungschef und in den neunziger Jahren Präsident der Türkei.


Darüber diskutieren kann man in der Liiribox :)
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Beitrag von Admin » 20. Nov 2005, 21:20

Hier noch ein weiterer Artikel, der heute in der NZZ am Sonntag erschien. Allerdings wurde er von einem türkischen Journalisten für eine türkische Zeitung (Turkish Daily News) geschrieben.

Endlich die Wahrheit sagen

Türkische Medien haben im Vorfeld der Spiele mit ihren Hasstiraden übertrieben

Von Mehmet Ali Birand

Für die Türken wäre es ein Leichtes gewesen, das Schweizer Team zu schlagen. Aber stattdessen schickten sie die Schweizer an die Weltmeisterschaft. Jetzt erkennen wir, dass hier zwei völlig verschiedene Länder gegeneinander spielten, in deren Gesellschaften sich die Prinzipien spiegeln, die sie im täglichen Leben und in ihrem Blick auf die Welt haben.

Die Schweizer hatten sich seriös auf die Barrage-Spiele vorbereitet. Vor allem ihre Leistung in Bern zeigte, wie gut sie unser Team analysiert hatten. Sie spielten mit System und Präzision, gewannen 2:0 und damit einen grossen Vorteil. Sie hatten keine besseren Spieler als wir; sie brillierten nicht wirklich; sie waren durchschnittlich. Aber weil sie ihren Auftritt so gut vorbereitet hatten, gewannen sie. Und nur das zählt.

Wir hingegen handelten in Übereinstimmung mit unseren Prinzipien. Das heisst, wir bemühten uns zu wenig im Hinspiel und vertagten die Arbeit auf das Rückspiel in Istanbul. Wir vergeudeten in Bern unsere Zeit und machten uns damit das Leben schwer. Wir machten genau das, was wir nicht machen sollten. Und jetzt können wir die Schuld dem Schiedsrichter zuschieben oder dem Pech. Wir werden natürlich auch nach anderen Schuldigen suchen - und schliesslich sagen, dass wir zwar verloren, aber unsere Ehre gerettet haben.

Diese Spiele haben uns wunderbar die Differenz zwischen den beiden Gesellschaften aufgezeigt, und zwar in Sachen Struktur, Mentalität und Berufsauffassung. Wir haben verloren, die Schweizer haben gewonnen. Anstatt die Schweizer zu schlagen, sollten wir uns selber schlagen. Nun, da die Entscheidung gefallen ist, können wir endlich die Wahrheit formulieren, ohne in Lügen abzugleiten. Schauen wir einmal die Vorgesetzten unserer Nationalmannschaft an, ebenso die Medien und Fans: In der Begegnung mit den Schweizern machten wir viele Fehler. Wir übertrieben. So wurde die türkische Nationalmannschaft in Bern nicht schlecht behandelt. Die «schreckliche Behandlung», von der berichtet wurde, fand nicht statt.

Ich sprach mit Journalisten, die mit dem Team nach Bern reisten und wieder zurück. So schrieb Cengiz Semercioglu für «Hurriyet»: «Hätte ich den Match in der Schweiz nicht mit eigenen Augen gesehen, hätte ich den Berichten vielleicht geglaubt. Aber es gab nicht die geringsten Handgreiflichkeiten. Nationalcoach Fatih Terim beklagte sich, dass die Schweizer während der Nationalhymne gepfiffen hätten. Nun, dasselbe passiert in der Türkei bei jeder Partie und sogar an Europacup-Matches. Und während wir das Schweizer Team am Zoll 90 Minuten warten liessen, konnte das türkische Team mitsamt Fans innerhalb von fünf Minuten die Schweizer Passkontrolle passieren. Ich war schon in Dutzenden von Ländern, und die schnellste Zollkontrolle, die ich je erlebte, war im Schweizer Flughafen. Hinzu kommt, dass Aussagen von Terim und Davut Disli, dem Verantwortlichen für das Nationalteam, das Verhalten der Fans nur noch verschärften. Am Flughafen in Istanbul zeigten Leute Transparente mit Schimpfwörtern gegen Alex Frei. Ich kann mir vorstellen, was in den hiesigen Zeitungen abgehen würde, wenn dasselbe gegen unsere Spieler passiert wäre. Aber dieselben Medien, welche sich über die kleinsten Provokationen der Schweizer entrüsteten, haben beispielsweise «Dreckige Schweiz» getitelt. Ich war am Spiel in der Schweiz anwesend und muss sagen, dass sie diese Behandlung nicht verdiente.»

Cengiz ist einer der wenigen türkischen Journalisten, welche die Wahrheit schreiben, ohne Angst haben zu müssen. Wir waren vor diesem Rückspiel so angespannt als Gesellschaft, dass es in einer Katastrophe hätte enden können. Wir vergassen letztlich, dass es nur ein Spiel war. Wir machten es zu einer Begegnung, in der es um Leben oder Tod ging.

Vom ersten Moment an, als das Schweizer Team in Istanbul war, griffen wir zu allen möglichen Mitteln der Einschüchterung. Wir kreierten eine Atmosphäre, von der wir glaubten, sie würde uns helfen, die Schweizer zu schlagen. Diese Flüche, diese Eierwürfe, diese Tritte, diese Schläge . . . Die Arroganz, die einige Mitglieder des Schweizer Teams vor und nach den Partien zeigten, rechtfertigt jedenfalls keines dieser Mittel.

Nun, wir haben nicht nur die Qualifikation für die Fussball-Weltmeisterschaft verpasst, sondern auch eine Prüfung nicht bestanden.
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