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Ein Stadion nach schottischem Vorbild
Von René Donzé. Aktualisiert um 18:29 Uhr
Winterthur plant auf der Schützenwiese für 20 Millionen Franken das günstigste Super-League-Stadion der Schweiz. In einer ersten Etappe wird die alte Tribüne saniert und eine neue Gegentribüne gebaut.
Die Fussballwelt auf der Schützenwiese ist eine kleine. Rund 2600 Zuschauer besuchen im Durchschnitt die FCW-Spiele. Man sitzt Wurst essend auf der bald 60-jährigen Haupttribüne oder steht Bier trinkend in der Bierkurve, während sich die Kleinsten in der Sirupkurve austoben. Fällt ein Tor, wird auf der Anzeigetafel die Zahl von Hand gewechselt. Im letzten Sommer wäre diese Welt beinahe aus den Fugen geraten, weil der FCW ganz vorne in der Challenge League spielte, der Aufstieg war in Griffweite. Die Stadt hätte innert kürzester Frist Ausbaupläne für das Stadion präsentieren müssen, damit der Club eine A-Lizenz erhalten hätte.
Bei Aufstieg wird ausgebaut
So weit kam es nicht – «zum Glück», wie gestern gesagt wurde. Stadt und FCW erhielten mehr Zeit, den Ausbau ihres Stadions zu planen. «Wir müssen die Schützi so oder so sanieren», sagte Bauvorsteherin Pearl Pedergnana (SP). Als Sieger aus einem Projektwettbewerb ging das Bieler Team Sollberger Bögli Architekten hervor. Sie überzeugten «mit einem erfrischenden und unkonventionellen Konzept», so Pedergnana. Architekt Ivo Sollberger spricht von einem «Patchwork-Stadion». In einem ersten Schritt wird für rund 10 Millionen Franken die Haupttribüne erneuert und gegenüber anstelle der verlotterten Stehplatzrampe eine Sitzplatztribüne gebaut. So entstehen 6000 gedeckte Plätze. Erst später würden bei einem Aufstieg hinter den Toren für weitere 10 Millionen zwei zusätzliche Tribünen gebaut, und die Kapazität würde auf 10'000 Plätze erhöht.
Die Architektur ist schlicht. Massive Stahlträger werden zu einem T verschraubt. Treppenelemente bilden die Tribüne. Darunter werden in – mit Kunstrasen eingekleideten – Boxen Toiletten, Kiosk und Kassen versorgt. «Die Architektur soll schnörkellos und direkt sein, so, wie es auch der Fussball sein muss», sagt Sollberger. Er hatte als Mitarbeiter bei Herzog & de Meuron unter anderem am Basler St.-Jakob-Stadion mitgewirkt. Vorbilder für das Winterthurer Projekt finden sich etwa in Schottland, wo Stadien zum Teil ebenfalls organisch mit dem Club gewachsen sind und keine teuren, in sich geschlossene Kessel hingestellt wurden. Ganz im Sinne der Schotten wollen auch die Winterthurer «aus dem Minimum das Maximum» herausholen, wie FCW-Vizepräsident Heinrich Schifferle sagte. «Im Endausbau hätten wir das günstigste Super-League-Stadion der Schweiz.» Zum Vergleich: Zürich rechnet für das neue Hardturmstadion mit 128 Millionen Franken. Schifferle, der auch Finanzchef der Swiss Football League ist, freut sich, dass Winterthur den Beweis erbringt, dass die Auflagen des Verbandes relativ günstig erfüllt werden können.
Baubeginn für Etappe eins: 2014
Nun lässt der Stadtrat das Projekt verfeinern. Ein Teil des 10-Millionen-Kredits für die erste Etappe wird laut Bauvorsteherin Pedergnana aus gebundenen Kosten bestehen für ohnehin notwendige Sanierungsmassnahmen. Nur wenn der nicht gebundene Teil mehr als 5 Millionen beträgt, braucht es eine Volksabstimmung – oder wenn gegen den Gemeinderatsbeschluss das Referendum ergriffen wird. Spätestens im März 2012 will der Stadtrat das Baugesuch einreichen.
Der Baubeginn für Etappe eins ist auf 2014 geplant. Etappe zwei wird erst nach einem allfälligen Aufstieg ausgelöst. Doch davon ist der FCW im Moment weit entfernt. Er liegt derzeit auf Platz 11, und nächstes Jahr wird die Challenge League von 16 auf 10 Teams reduziert. «Wir wollen uns längerfristig an der Spitze der Challenge League etablieren», sagt Schifferle. «Aber die Möglichkeit eines Aufstiegs können wir uns so immer offen halten.» Selbst dann rechnet er mit kaum mehr als 8000 Zuschauern auf der Schützi. Und die Tore würden nach wie vor von Hand angezeigt.
(Tages-Anzeiger)