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Re: Absolut lesenswert

Beitrag von Don Pedro » 15. Jun 2020, 08:40

Hehe, jo. Ich glaube, wir reden ein wenig aneinander vorbei. Ich bin mit dir da schon einig.
Klar sollte es das. Vergleiche mit dem Schwingen werden aber oftmals genau auf Gewalt und Pyrothemen runtergebrochen und genau deshalb sollen Familien ja nicht mehr an Spiele können. Zwischen den Zeilen lese ich das auch hier raus. Aber wie gesagt, vielleicht ist mein Reflex gegen Schwing-Vergleiche mittlerweile einfach zu gross. Denn allzu oft folgt bei solchen Vergleichen einzig geistiger Dünnpfiff, der irgendwie die Fussballwelt mit der Schwingwelt gleichsetzen und vergleichen möchte.
Aber eigentlich ist dies ja nicht der Punkt, auf den Du hinauswolltest. Die Liga braucht definitiv Visionen. Und sich dabei auch bei anderen Sportarten etwas abzuschauen, ist vielleicht gar nicht so verkehrt.

Die Fangruppierungen der Kurve ticken im Übrigen auch heute noch so, wie dies SE'97 tut. Anders wäre der FCL ja kaum zu ertragen. :mrgreen: :eye:
Die ganze Wahrheit unzensiert.

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Re: Absolut lesenswert

Beitrag von lucerne » 15. Jun 2020, 09:56

Don Pedro hat geschrieben:
15. Jun 2020, 08:40
Die Fangruppierungen der Kurve ticken im Übrigen auch heute noch so, wie dies SE'97 tut. Anders wäre der FCL ja kaum zu ertragen. :mrgreen: :eye:
Wir reden wirklich aneinander vorbei.
Wer seit Jahr(zehnt)en an FCL-Spiele fährt, dem geht es natürlich nicht nur ums gewinnen.
jossen hat geschrieben:Lucerne hatte immer recht! Asche über mein Haupt

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Re: Absolut lesenswert

Beitrag von Incubator » 15. Jun 2020, 12:39

Der Vergleich mit dem Schwingfest stört mich vor allem deshalb, weil da sowas mitschwingt von der edlen, bescheidenen Swissness, im Vergleich zum luxuriösen, verdorbenen, globalisierten Fussball.

Solche Vergleiche sind heuchlerisch. Schwinger sind weder bescheidener noch weniger geldgeil als andere Sportler. Sie haben höchstens etwas einfachere Nachnamen. Das gleiche gilt wohl fürs Publikum.

Man muss sich nicht in solche Grabenkämpfe stürzen, um die Exzesse des Spitzenfussballs zu kritisieren. Es gibt viele Modelle, wie man es besser machen könnte, insbesondere direkt aus dem Amateurfussball oder bei Vereinen, die sich aktiv und kreativ darum bemühen, eine Alternative zu leben.
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Re: Absolut lesenswert

Beitrag von Aufwindfahne » 15. Jun 2020, 12:48

Solche Vergleiche sind heuchlerisch. Schwinger sind weder bescheidener noch weniger geldgeil als andere Sportler. Sie haben höchstens etwas einfachere Nachnamen. Das gleiche gilt wohl fürs Publikum.
Ach... zuerst die Vergleiche heuchlerisch bezeichnen und dann vergleichen. :clown:

Jedenfalls hat meines Wissens kein einziger Spitzenschwinger einen Wettkampf ohne Publikum gefordert, ganz im Gegenteil. Und da fängt der Unterschied halt eben schon an.

Könnten wir uns nun wieder dem Thema widmen? Danke.
lucerne hat geschrieben:Sorry, aber genau das sollte doch ein Heimspiel bei uns auch wieder sein. Ein "Erlebnis", ein "Treffpunkt", mit dem "emotionalen Spiel" als Höhepunkt, also ebenfalls wieder ein Fest oder Happening, zu dem man einfach hin muss. Es gab mal eine Fangruppierung auf der Allmend, die hiess "scheissegal", warum wohl?
Es ist so, dass Familien heute am Sonntag Nachmittag lieber was anders unternehmen als ans Heimspiel auf die Allmend zu fahren. Wann war das letzte Mal der Family Corner voll? Klar ist das Angebot heute viel breiter, etc. Und die kommen nicht nur nicht mehr, weil manche (von den Medien geschürte) Angst haben, sondern einfach, weil es die Eltern und wohl oftmals auch die Kinder selber nicht mehr genügend reizt auf die Allmend zu kommen. Und da reicht es halt nicht oder ist gar kontraproduktiv, das Rahmenprogramm an eine Krankenkasse zu delegieren (das diese bezahlen muss) und die beiden Leuen herumspazieren zu lassen.
:!:
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Re: Absolut lesenswert

Beitrag von Incubator » 15. Jun 2020, 13:59

Aufwindfahne hat geschrieben:
15. Jun 2020, 12:48
Solche Vergleiche sind heuchlerisch. Schwinger sind weder bescheidener noch weniger geldgeil als andere Sportler. Sie haben höchstens etwas einfachere Nachnamen. Das gleiche gilt wohl fürs Publikum.
Ach... zuerst die Vergleiche heuchlerisch bezeichnen und dann vergleichen. :clown:

Jedenfalls hat meines Wissens kein einziger Spitzenschwinger einen Wettkampf ohne Publikum gefordert, ganz im Gegenteil. Und da fängt der Unterschied halt eben schon an.
Klar. Schwinger sind natürlich von Geburt aus edles Geschöpf. Keiner von denen würde die Kohle nehmen, die sie im Fussball verdienen könnten, wenn sie tschutten könnten.

Du weisst doch genau worum es geht. Es sind die Systeme rund um die Leute, die mehr oder weniger kaputt sind. Aber um das System Fussball zu kritisieren, muss man sich nicht beim Schwingen bedienen. Da gibt es wesentlich geeignetere, ja inklusivere, Beispiele.
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Re: Absolut lesenswert

Beitrag von Aufwindfahne » 15. Jun 2020, 15:06

Stell Dir vor, es gibt sogar ein paar Schwinger, die mehr verdienen als viele FCL-Spieler... obwohl sie nicht tschutten können.

Aber ich diskutiere mit Dir lieber über Fussball.
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Re: Absolut lesenswert

Beitrag von Pitcher » 14. Aug 2020, 16:05

Der Schweizerische Fussballverband kann durchsetzen, dass die SRG den englischen Ligacup-Final nicht live zeigen darf. Der Verband begründet sein Vorpreschen damit, dass eine Konkurrenzierung des am gleichen Nachmittag stattfindenden NLA-Derbys Winterthur – FC Zürich befürchtet wird.
https://www.watson.ch/sport/unvergessen ... erbung-auf

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Beitrag von Aufwindfahne » 17. Aug 2020, 17:32

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Re: Absolut lesenswert

Beitrag von timtim » 19. Aug 2020, 13:17

Ein paar Infos bezgl. dem Konstrukt in Lausanne. Wenn die hiesigen Journalisten nichts darüber zu erzählen haben muss halt jemand anders einspringen.

https://11freunde.de/artikel/der-plasti ... ttansicht=

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Re: Absolut lesenswert

Beitrag von Master » 7. Sep 2020, 14:23

https://11freunde.de/artikel/das-gesch% ... ttansicht=

Weil kutte zu faul war.. Top Interview zum Thema Fussballer und Finanzen
L U C E R N E - Till I Die!

Kämpfe Lozärn, Kämpfe Lozärn!
mer wend Euch gwönne gseh!

Master (am Do 20. Okt 2005 22:24 ) hat geschrieben:ich sage immer das gleiche.. dass er dem verein helfen wird, davon bin ich überzeugt!
dass er der fanszene schaden wird, davon bin ich genau so überzeugt! aber ich hoffe wir werden das überstehen!
Master hat geschrieben:
4. Mär 2021, 10:55
Danke sonnenkönnig*
*meine Prophezeiung in der Signatur ist kolossal falsch.. Die Fanszene hat sich geeint und geformt durch ihn, um den Verein steht es schlechter als erwartet..

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Re: Absolut lesenswert

Beitrag von Schalker jung » 7. Sep 2020, 20:28

Heute auf Tele Basel FCB total. Zwischt Fans-Verein. Da wird Klartext geredet. Nicht Propaganda sondern einfach Mal gesagt was Sache ist. Wäre schön wenn Tele1 auch Mal so einen Einwurf macht.
1000 Trainer schon verschliessen, Spieler kommen Spieler gehen
doch was stehts bleibt sind wir Luzerner die immer Treu zur Mannschaft stehn

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Re: Absolut lesenswert

Beitrag von Aufwindfahne » 21. Sep 2020, 07:09

Auf Veränderung zu hoffen, ohne selbst was dafür zu tun,
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Re: Absolut lesenswert

Beitrag von Aufwindfahne » 17. Nov 2020, 09:55

https://www.nzz.ch/meinung/schweiz-spor ... ld.1587068
Benjamin Steffen hat geschrieben:KOMMENTAR
Der Sport ist nicht zwingend ein Kulturgut, aber er erfährt in der Schweiz gerade eine Aufwertung
Mit der Forderung nach Subventionen wirft der Schweizer Mannschaftssport mehr Fragen auf, als ihm lieb ist. Traditionsreiche Eishockey- und Fussballklubs sowie Anlässe sind nicht a priori unterstützungswürdige Kulturgüter.

Der Mannschaftssport fordert Unterstützung in der Pandemie und wirft bei der Begründung Fragen auf.

Die Schweiz hat sich auf eine heikle Diskussion eingelassen, bundesrätlich verordnet. Im Zuge der Corona-Krise hat Bundesrätin Viola Amherd das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) mit der Abklärung betraut, «ob für den Mannschaftssport A-fonds-perdu-Beiträge gewährt werden sollen». Mit anderen Worten: Subventionen. Es geht um nichts Geringeres als die Frage, ob Fussball und Eishockey als kulturelle Leistung akzeptiert werden, wie die Darbietungen von Musikern und Künstlern.


Die Debatte führt ins Dickicht – und droht Schicksalsgenossen gegeneinander auszuspielen. Es ist irreführend, Fussball und Eishockey in denselben Topf zu werfen, darbende Bereiche, beide zu Spielen ohne Fans gezwungen. Der Fussball ist in Mitteleuropa viel mehr Volkssport als das Eishockey, gesellschaftlich stärker verankert – und enger mit der traditionellen Kunst verflochten.

Das deutsche Bundesinstitut für Sportwissenschaft wies schon vor Jahren darauf hin, dass sich in so manchen Werken der deutschen Literatur des frühen 20. Jahrhunderts Fussballszenen finden, bei Robert Musil, Ödön von Horvath, Kurt Tucholsky, Egon Erwin Kisch, Hermann Broch. Heute ist es auch in der Schweiz im Trend, zum Fussball eine Haltung zu haben, bei den einen ist es genuin, bei anderen kalkuliert. Ein Züri-West-Song stand einst für das melancholische Wesen der Young Boys, im Gegenzug sang der YB-Stürmer Guillaume Hoarau später Songs von Lo & Leduc und Patent Ochsner. Der Schauspieler Beat Schlatter arbeitet mit dem Sportchef Fredy Bickel zusammen, Manuel Stahlberger singt über seinen ersten Besuch an einem Fussballmatch. Et cetera. Fan-Lieben werden zelebriert, Fussball und Kunst vereint. Was nicht heisst, dass sie dasselbe sind.

Es war einmal das Wankdorf
Vor einigen Wochen erlaubte sich Roland Heri, der CEO des FC Basel, die Frage aufzuwerfen, «inwiefern der FC Basel – als eindeutiges Kulturgut dieser Stadt – seitens der Politik als förderungs- und unterstützungswürdig erklärt werden könnte». Ancillo Canepa, der Präsident des FC Zürich, sagte später, er wolle keine Forderung stellen, aber er erwarte, dass der Spitzenfussball gleich behandelt werde wie die Kultur. Was Canepa damit wohl unbewusst vermittelte: dass er Fussball nicht als Kultur sieht.


Es ist ein Leichtes, Forderungen zu stellen, das Wort Kulturgut ist rasch in den Ring geworfen. Aber in einem nächsten Schritt müsste zwischen Kulturgut und Kulturschaffen unterschieden werden. Wer als Profisportler bei einem Kulturgut angestellt ist, wird nicht automatisch zu einem Kleinkunst-Schaffenden, der finanzielle Hilfe braucht, um sein Talent halbwegs kostendeckend zu präsentieren. Der Sport muss eigenständiger argumentieren, als mit dem Finger auf die Subventionen für Musikhallen und Schauspielhäuser zu zeigen. Solche Einrichtungen werden auch unterstützt, weil es um Standortmarketing geht; weil es über die Landesgrenzen hinaus angesagt bleiben soll, in eine Schweizer Stadt zu reisen.

Im hiesigen Fussball fehlt dieser Reiz – die Menschen pilgern nach Barcelona, um das Camp Nou zu sehen und Lionel Messi, nach Manchester ins Old Trafford, das «Theatre of Dreams». Aber kaum jemand kommt nach Basel, um endlich den St.-Jakob-Park und Fabian Frei oder Luca Zuffi zu erleben. Oder nach Zürich, wo es seit Jahren gar kein richtiges Fussballstadion gibt. Das einzige Fussballstadion mit internationaler Ausstrahlung, mit einer gewissen Erhaltenswürdigkeit, war das alte Wankdorf in Bern, in dem die Deutschen 1954 Weltmeister geworden waren. Dieses Stadion stiftete Identifikation bis weit über Bern hinaus, es war Zeugnis eines historischen Moments, für das «Wunder von Bern», für den Beleg des deutschen Aufschwungs neun Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Diese Stätte sprengten die Berner 2001 mit 23 Kilogramm Sprengstoff in die Luft.

Der feine Unterschied
So starker historischer Charakter ist selten im Sport. Der Bedeutung des FC Basel für die Stadt widmete sich vor zwei Jahren ein ganzes Buch, Untertitel des Werks: «Eine Kulturgeschichte». Ein Koautor des Buches sagte damals im lokalen TV-Sender: «Man muss auch ehrlich sein: Der FCB ist toll – aber einzigartig ist er halt trotzdem nicht.» Ja, der FCB bietet Gesprächsthema für eine Stadt, eine Klammerfunktion. Der FC St. Gallen aber auch. Der FC Sion. Der FC Aarau. Der FC Wil. Et cetera. Es gibt beim besten Willen keinen Klub, der nicht behauptet, wichtig zu sein für seinen Ort – oder für seine Region. Der HC Ajoie. Der HC Ambri-Piotta. Und so stellen sich viele Definitionsfragen. Wie sehr müsste wem geholfen werden und warum? Müssten die Lohnsummen gedeckelt sein? Hätte der FCZ mehr Unterstützung verdient als GC, weil er eine Liga höher spielt? Was geschähe im Fall eines Aufstiegs von GC? Oder ist GC als Rekordmeister auf Lebzeiten subventionsberechtigt, kraft der Vergangenheit sozusagen?


Überhaupt: die Geschichte. Es gibt legendäre Eishockeyklubs wie Villars oder Arosa, frühere Schweizer Meister, die in der Versenkung verschwunden sind. Vielleicht wären gerade sie unterstützungsberechtigt, aus einem kulturellen Sinn für Vergangenheitspflege. Das Bundesamt für Kultur führt eine Liste von lebendigen Traditionen in der Schweiz. Dazu gehören 199 Anlässe oder Bräuche (Stand 2017), vom Aarauer Bachfischet bis zur Zürcher Technokultur. Sportliche Nähe haben etwa der Alpinismus, das Eidgenössische Feldschiessen, Hornussen, Schwingen, das Unspunnenfest, sogar die Berner Seifenkistenrennen. Aber es gibt keinen Berührungspunkt mit Eishockey (abgesehen vom Eislaufen auf dem Doubs vielleicht) und einen einzigen Anlass mit Bezug zum Fussball: den Uhrencup in Grenchen – weil das Turnier für den Einfluss steht, den die Uhrenindustrie auf das kulturelle Leben der Stadt und der Bevölkerung ausgeübt hat und ausübt, wie es heisst.

Auch darin wird erkennbar, wie hoch die Anforderungen für ein Kulturgut sind: Es braucht einen wesentlichen historischen, politischen oder wirtschaftlichen Kontext. Und mehr noch: Wer sagt, dass das vermeintliche Kulturgut FCB als Super-League-Spitzenklub erhalten werden muss – müsste es nicht einfach am Leben erhalten werden, sobald der Bankrott droht? Und wem käme die Verantwortung für die letzte Hilfe zu: der Öffentlichkeit oder nicht viel eher dem FCB, den FCB-Mitgliedern selber?

Vermutlich geht es um einen feinen Unterschied: dass Schweizer Profiklubs viel mehr erhaltens- als unterstützungswürdig sind. Die Klubs täten gut daran, noch viel mehr auf die wirtschaftliche Relevanz hinzuweisen als auf die kulturelle Bedeutung, auf ihr KMU-Dasein und all die Angestellten fernab des Platzes, die keinen fünfstelligen Monatslohn haben. Aber mit der Forderung nach Hilfe, mit der Proklamation als Kulturgut werfen Sportklubs viel mehr Fragen auf, als ihnen lieb ist. Ja, der FCB bewegt wohl mehr Menschen als das Zürcher Ballett. Und ja, Sportklubs nehmen eine integrative Funktion wahr – aber in welchem Ausmass muss diese Rolle gesellschaftspolitisch honoriert werden? Angenommen, diese Klubs bekämen finanzielle Unterstützung: Würden sie etwas zurückzahlen, sobald sich andere Menschen ärgern, weil sich Fans unbotmässig benehmen? Oder wenn es in der Nachwuchsarbeit zu pädophilen Übergriffen kommt?


Gesellschaftliche Relevanz ist schwer messbar. Wenn der FCB nicht Meister wird, geht es Basel nicht schlechter, jedenfalls nicht tout Bâle. Die gepflegte YB-Melancholie ist verflogen in Bern, aber niemand behauptet ernsthaft, in der Hauptstadt herrsche nach drei Meistertiteln ein besseres Lebensgefühl. Wie stand es im Text des Bundesinstituts für Sportwissenschaft: «Wenn es um letzte Fragen geht, versagt die ‹Patchworkreligion› Fussball. In tiefen Krisensituationen besitzt Fussball keine Tragfähigkeit.»

Das Lauberhorn als Massstab
Sollten die allgemeinen Krisensituationen 2020 für den Mannschaftssport einmalige A-fonds-perdu-Beiträge abwerfen, wäre es bemerkenswert genug, sozusagen: ein Wunder von Bern. Denn schon lauern die nächsten Neid- und Entbehrungsdebatten, weil auch Kulturschaffende grössere Erwerbsausfälle fürchten als im Frühling. Vor diesem Hintergrund wären langfristige bundesweite Subventionierungen für den Sport schwer vermittelbar. Diese Förderfrage müsste in bester föderalistischer Manier geregelt werden. Jeder Kanton sollte selber bestimmen, wie viel ihm an welchem Klub liegt.

Es ist noch nicht lange her, dass die Berner Oberländer Ski-Weltcup-Rennen wiederholt auf Geldnöte aufmerksam machten und darauf hinwiesen, dass die Kantone Wallis und Graubünden ihren Anlässen viel stärker unter die Arme griffen. Es gab Streit, Bundesrätin Amherd schritt vermittelnd ein – und bezeichnete die Lauberhornrennen in Wengen als «sehr wertvoll, traditionsreich, international bekannt». Es klang nach Camp Nou, Old Trafford, kurz: nach dem Massstab für ein Kulturgut des Schweizer Sports.


In alldem zeigt sich: Die Schweiz verwehrt sich nicht, sie ist bereit, über Definitionsfragen zu diskutieren. Diese Debatte über den materiellen ist auch eine Debatte über den gesellschaftlichen Wert des Sports, und sie wird in einer Intensität geführt, wie es vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Fussball und Eishockey haben dadurch eine Aufwertung erfahren – man muss sie bloss sehen und schätzen
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Re: Absolut lesenswert

Beitrag von Aufwindfahne » 18. Nov 2020, 21:48

https://www.deutschlandfunk.de/die-dfb ... _id=487768
die meisten aspekte sind auch gültig für andere verbände und ligen.
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Beitrag von Aufwindfahne » 1. Dez 2020, 17:09

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Re: Absolut lesenswert

Beitrag von LU-57 » 3. Dez 2020, 13:39

STADION ALLMEND 1934 - 2009
\O/ cumk \O/ choooooom \O/

«Stellen sie sich vor, ein Pyro mit 2000 Grad trifft ein Kind und das Kind stirbt. Was sagen Sie dann?»
«Gewaltanwendungen gab es zwar keine, es hätte aber auch anders kommen können!»
Romano Simioni, Allmend-Buch, 2009 hat geschrieben:Das KKL ist kein Ort, der für uns Luzerner und Innerschweizer
gemacht wurde, sondern ein Ort, der in erster Linie dazu da ist,
dem Prestige der Stadt gut zu tun. Ich befürchte, dass das neue
Stadion eher ein KKL des modernen Fusballs wird und nicht eine
lebendige Volksbühne, wie es die so sympathisch unperfekte
Allmend war.


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Re: Absolut lesenswert

Beitrag von lucerne » 5. Jan 2021, 09:41

jossen hat geschrieben:Lucerne hatte immer recht! Asche über mein Haupt

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Re: Absolut lesenswert

Beitrag von LU-57 » 5. Jan 2021, 10:08

merci, aber hier wie dort bitte den text reinkopieren anstatt nur den link. bezahl-, login-, datensammelmauer und so. sonst ist nach der einleitung meist schon schluss.

greez
STADION ALLMEND 1934 - 2009
\O/ cumk \O/ choooooom \O/

«Stellen sie sich vor, ein Pyro mit 2000 Grad trifft ein Kind und das Kind stirbt. Was sagen Sie dann?»
«Gewaltanwendungen gab es zwar keine, es hätte aber auch anders kommen können!»
Romano Simioni, Allmend-Buch, 2009 hat geschrieben:Das KKL ist kein Ort, der für uns Luzerner und Innerschweizer
gemacht wurde, sondern ein Ort, der in erster Linie dazu da ist,
dem Prestige der Stadt gut zu tun. Ich befürchte, dass das neue
Stadion eher ein KKL des modernen Fusballs wird und nicht eine
lebendige Volksbühne, wie es die so sympathisch unperfekte
Allmend war.

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Re: Absolut lesenswert

Beitrag von dragao » 5. Jan 2021, 10:59

Wie Fußballweltmeister bei der gesetzlichen Unfallversicherung abkassieren
Spezialagenturen haben Wege gefunden, Profikickern hohe Summen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zuzuschanzen. Das Geld erwirtschaften auch Niedriglöhner wie Reinigungskräfte oder Wachleute.

Marcell Jansen ist ein Tausendsassa. Mit dem FC Bayern München gewann der Linksverteidiger die deutsche Meisterschaft und den DFB-Pokal. Als Nationalspieler nahm er an Welt- und Europameisterschaften teil. Jetzt ist er Funktionär und Erfinder.

Als Präsident des Hamburger SV versucht er, den Klub zurück in die erste Bundesliga zu führen. Er ist an Sanitätshäusern beteiligt, investiert in Start-ups. Gerade hat er eine Intimdeocreme für Männer herausgebracht und bewirbt sie selbst im Internet. »Gerade im Intimbereich sollten wir Verantwortung für unseren Körper übernehmen«, sagt er in dem Werbespot.

Sogar auf dem Spielfeld kann der Präsident noch mithalten. Wenn ihm seine vielen Aufgaben Zeit lassen, kickt der 35-Jährige in der dritten Mannschaft des HSV, die in der Oberliga spielt.

Der sportliche Einsatz ist erstaunlich, denn zumindest auf dem Papier scheint es um Jansens Gesundheit nicht gut bestellt zu sein. Jedenfalls hat der HSV-Boss nach SPIEGEL-Informationen vor Kurzem bei der gesetzlichen Unfallversicherung eine Verletztenrente beantragt und genehmigt bekommen. Eine solche Unterstützung erhalten Arbeitnehmer, deren Erwerbsfähigkeit durch einen Arbeitsunfall auf Dauer stark eingeschränkt ist.

Jansens Unfall ist lange her. Vor acht Jahren, damals in Diensten der Erstligamannschaft des HSV, verletzte er sich an der rechten Schulter. Nun soll ein Hamburger Orthopäde bestätigt haben, dass ihn das Malheur bis heute belastet.

Dabei ist die rechte Schulter wohl nicht der einzige Körperteil, der während der Profikarriere eine dauerhafte Schädigung davongetragen hat – wofür die Sozialkasse zahlt. Drei weitere Unfälle, die sich 2006, 2007 und 2014 ereigneten, begründen ebenfalls Ansprüche auf Entschädigung. Zusammen summieren sie sich zu einer Minderung seiner Erwerbsfähigkeit, der sogenannten MdE, um 50 Prozent. Mit so viel rechnet die gesetzliche Versicherung gewöhnlich bei Verletzten nach der Amputation eines Beins.

Der geschäftstüchtige Fußballer Jansen ist kein Einzelfall. Etliche Spitzensportler lassen sich ihr Karriereende von der Sozialversicherung vergolden. Die Entschädigungszahlungen sind attraktiv – selbst für diejenigen, die während ihrer Karriere Millionen verdient haben und nun als Manager, Trainer oder Fernsehexperten arbeiten. Denn das Geld ist steuerfrei, und es wird nicht auf das übrige Einkommen angerechnet, wie es bei anderen Sozialleistungen der Fall ist.

2,7 Verletzungen erlitt im Durchschnitt ein eingesetzter Fußballspieler der ersten beiden Bundesligen.
In der Saison 2018/19; Quelle: VBG-Sportreport 2020


Die Betroffenen erhalten eine lebenslange Rente von bis zu mehreren Tausend Euro im Monat. Oder sie lassen sich ihre Ansprüche auf einen Schlag auszahlen. Allein für eine Schulterverletzung, wie Jansen sie erlitten hat, können 300.000 Euro fällig werden.

Die Profis nutzen offensichtlich eine Lücke in den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs aus. Denn längst nicht jeder dieser Rentenempfänger benötigt Unterstützung. Im Sport aber hat sich in den vergangenen Jahren fernab der Öffentlichkeit eine neue Disziplin entwickelt: die schamlose Ausbeutung der Sozialkassen.

Spezielle Beratungsagenturen nutzen diese Unwucht im Sozialsystem, um für die Sportler, aber auch für sich selbst Kasse zu machen. Während es für normale Arbeitnehmer oftmals aussichtslos erscheint, Ansprüche gegen Berufsgenossenschaften durchzusetzen, erfreuen sich die Profisportler der Unterstützung erfahrener Juristen und Mediziner. Und schaffen es auf diese Weise, selbst Entschädigungen für Unfälle durchzusetzen, die Jahre oder Jahrzehnte zurückliegen.

Über den Geldsegen reden will kaum einer der Profiteure. Gesundheitsdaten gelten als vertraulich. Auch Jansen lehnt eine Stellungnahme gegenüber dem SPIEGEL ab. Sein Anwalt schreibt, die Daten seien »durch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt«, Jansen stimme einer »unautorisierten Weitergabe« nicht zu.

Desto lauter beschweren sich hingegen die Sportvereine, die als Arbeitgeber die Versicherungsbeiträge zahlen müssen. Denn die steigen seit Jahren. Dabei reichen die Einnahmen der für die Sportvereine zuständigen Berufsgenossenschaft längst nicht aus, um die Kosten zu decken. So müssen andere Branchen die Lücke schließen. Die Millionen für die Profisportler erwirtschaften auch Niedriglöhner wie Wachmänner und Reinigungskräfte.

Kranke Weltmeister
Die gesetzliche Unfallversicherung gilt als eine der größten Errungenschaften des deutschen Sozialversicherungssystems. Sie ist 136 Jahre alt und entstand, als es im Zuge der Industrialisierung zu schlimmen Unfällen in den neuen Fabriken kam. Die Arbeitgeber zahlen die Versicherungsbeiträge allein, anders als bei Kranken- und Rentenversicherung.

Im Jahr 1884 ahnte allerdings niemand, dass irgendwann Menschen ihren Lebensunterhalt auf dem Fußballplatz oder in der Eishockeyhalle verdienen würden. Mit einer Beschäftigung also, in der Unfälle zum Alltag gehören. Bei Wettkämpfen, in denen sie Risiken für die eigene Gesundheit und Verletzungen des Gegners in Kauf nehmen.

Matthäus
Matthäus Foto: Jan Huebner / imago images
Für die Versicherung solch spezieller Arbeitnehmer ist heute die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) zuständig. Mehr als 1,2 Millionen Unternehmen zahlen Beiträge für neun Millionen Versicherte. Traditionell diente sie als Sammelbecken unterschiedlicher Berufssparten. Größter Beitragszahler ist die Zeitarbeitsbranche.

Die Sportler bilden eine kleine Minderheit. Gerade einmal 27.000 Berufssportler führt die VBG in ihren Akten, unter ihnen etwa 17.000 Fußballer und Fußballerinnen. Aber der bezahlte Sport verursacht rund acht Prozent der Gesamtausgaben der VBG für Rehabilitation und Renten. Jährliche 95 Millionen Euro.

Die Ursachen für die hohen Ausgaben liegen laut VBG-Geschäftsführer Bernd Petri auf der Hand: »Ein normaler Arbeitnehmer hat in seinem ganzen Berufsleben vielleicht einen Arbeitsunfall. Die Profisportler durchschnittlich 2,7 pro Jahr.«

Einmal im Jahr veröffentlicht die VBG den Sportreport, einen Bericht, in dem die Unfälle in den höchsten beiden Männerligen im Fußball, Eishockey, Handball und Basketball ausgewertet werden. Das Papier belegt, wie wenig der Profisport in das System der gesetzlichen Unfallversicherung passt. Laut jüngstem Report fallen vier von fünf Fußballern mindestens einmal während der Saison verletzt aus – und die VBG muss dafür die Krankenkosten und womöglich spätere Rentenzahlungen übernehmen.

Wohin das führt, veranschaulichte Petri Mitte November bei einem Besuch im Sportausschuss des Bundestags. Er zeichnete vor den Abgeordneten ein verstörendes Bild der größten deutschen Sporthelden – das fast an die Paralympics erinnert.

Die VBG habe die Kader der Weltmeisterteams von 1974, 1990 und 2014 mit ihrer aktuellen Datenbank abgeglichen, erläuterte der Geschäftsführer. Für die 67 Kicker seien 632 Arbeitsunfälle und fünf Berufskrankheiten registriert. Viele der Stars machten darüber hinaus geltend, dass der Sport ihre Gesundheit so stark beeinträchtigt habe, dass ihre Erwerbsfähigkeit eingeschränkt sei.

Von den Weltmeistern 1990 bekam deshalb die Hälfte eine oder gar mehrere Renten. Das Bild des Teams von 1974: Von 22 Spielern im Kader kassierten 9 Entschädigungen. Und selbst für einen Spieler der WM-Mannschaft von 2014 sei bereits eine Rente genehmigt worden. Häufige Malaisen der Kicker: instabile Gelenke und malade Menisken.

Scholl
Scholl Foto: Sportfoto Zink / DAMA / imago images
Bis heute haben die Weltmeister knapp fünf Millionen Euro an Renten und Abfindungen erhalten. »Wir halten uns an Recht und Gesetz«, sagt Petri, »aber wir erleben eine Diskussion, ob solche Zahlungen für diesen besonderen Personenkreis Sinn und Zweck der gesetzlichen Unfallversicherung sein sollten.«

Prächtige Geschäfte
Von dem spendablen Sozialsystem profitieren auch Geschäftsleute wie Ernst Köpf, einst einer der besten deutschen Eishockeyprofis. »Gori«, wie er genannt wird, spielte bei den Kölner Haien, der Düsseldorfer EG, der Nationalmannschaft. 1999 musste er mit gerade einmal 31 Jahren seine Karriere wegen einer Schultereckgelenksprengung beenden. Ein klassischer Fall für eine Verletztenrente.

Doch Köpf merkte, dass die Paragrafen des Sozialversicherungsrechts nicht einfach zu durchdringen sind. Er machte aus der Erkenntnis eine Geschäftsidee und gründete 2007 die Firma Alpha Sports, die seither Sportlern bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche hilft.

Köpf wirbt aggressiv für sein Unternehmen. Jeder Profi, der in Deutschland bei einem Verein spiele, könne sich kostenlos von seiner Firma helfen lassen. Erst wenn tatsächlich eine Entschädigung fließe, werde eine Provision fällig – bis zu einem Viertel der erstrittenen Summe.

Dazu hat er eine raffinierte Firmenkonstruktion gewählt. Alpha Sports berät die Sportler. Ist aber ein Verfahren vor Gericht notwendig, übernimmt das eine Berliner Rechtsanwaltskanzlei. Köpf bezeichnet seine Firma deshalb auch als Prozessfinanzierer. Der Kniff erlaubt Alpha Sports, offensiver um Kunden zu werben, als dies Anwälten erlaubt ist.

Die Geschäfte scheinen prächtig zu laufen. Köpf residiert in repräsentativer Lage am Berliner Kurfürstendamm. In den Büros pflegt er eine spezielle Galerie, eine Sammlung von Sporttrikots, signiert vom Who's who des deutschen Profisports. Mit dem SPIEGEL sprechen möchte er nicht, immerhin beantwortet er Fragen schriftlich. Er behauptet, schon mehr als 10.000 Sportlerinnen und Sportler unterstützt zu haben. Und die Nachfrage steige. »Vielen Sportlern, gerade aus dem Ausland, ist nicht bewusst, dass sie in ihrer aktiven Laufbahn eine versicherte Tätigkeit ausüben«, schreibt Köpf.

In drei Viertel der Fälle erziele er ein »positives Ergebnis«, behauptet Köpf. Jährlich würde er mehr als 20 Millionen Euro für seine Klienten erstreiten – mehr als ein Fünftel der gesamten Leistung der VBG für den bezahlten Sport.

Nowotny
Nowotny Foto: Sportfoto Rudel / imago images
Der Erfolg verwundert nicht. Im Vergleich zu einer privaten Versicherung bietet die gesetzliche Regelung traumhafte Bedingungen. Niemand wird wegen einer Vorerkrankung ausgeschlossen. So ist später schwer zu beurteilen, welche Verletzung einen Dauerschaden verursacht hat.

Sogar Hobbyspieler sind bestens geschützt. Auch wer nur abends und am Wochenende kickt, dafür aber mindestens 250 Euro im Monat bekommt, ist versichert. Jeder zweitklassige Eishockeyspieler oder fünftklassige Fußballer bekommt folglich kostenlosen Versicherungsschutz.

Hat er einen Unfall, werden zur Berechnung der Entschädigung nicht nur die Einkünfte aus dem Fußball berücksichtigt, sondern auch die aus seinem Hauptjob. Das Beste aber für Köpf und seine Leute: Die Ansprüche verjähren nicht, sie können noch nach Jahrzehnten geltend gemacht werden.

Die Firma werte angeblich alte Sportmagazine wie den »Kicker« aus, um dort ehemalige oder ausländische Spieler aufzuspüren und denen ihre Dienste anzubieten, heißt es unter Sportlern.

Alpha Sports hat jede Menge zufriedene Kunden – auch wenn kaum jemand öffentlich darüber sprechen mag. Immerhin gratuliert das Unternehmen seinen »Alpha Sportslern« im Internet, etwa den ehemaligen Fußballgrößen Mehmet Scholl, Lars Ricken, Jens Nowotny – und vor allem »einem der größten Alpha Sportsler aller Zeiten«, Lothar Matthäus – danach zu urteilen ein besonders guter Kunde.

Auf Facebook danken Handballer, Eishockeyspieler und Fußballprofis für die Hilfe. »Lasst euch das Ende eures Leistungssport-Daseins etwas versüßen«, rät etwa Rico Glaubitz, einst Zweitligaspieler und heute Berater. Alpha Sports sei die »Vitaminbombe der Betreuung«.

Ein Konkurrent von Köpf ist die »Sportfürsorge«, ein Unternehmen, hinter dem der Rechtsanwalt Olaf Matlach aus Hannover steht. Der Jurist lehnt ein Gespräch mit dem SPIEGEL ab. Auf seiner Homepage rühmt er sich, mit einschlägigen Fachärzten zusammenzuarbeiten und Klienten auch medizinisch zu beraten. Unter der Überschrift »So viel könnte für Dich drin sein« rechnet er vor, dass der Riss eines Kreuzbands 225 120 Euro Entschädigung wert sein könne.

Buck
Buck Foto: Bernhard Kunz
Das prominenteste Gesicht in der Rubrik »Klienten« gehört Handballnationaltorwart Johannes Bitter. Der hat nach SPIEGEL-Informationen sogar das Kunststück vollbracht, eine Verletztenrente zu bekommen, obwohl er noch sehr aktiv ist. Im Januar wird Bitter bei der Weltmeisterschaft in Ägypten zwischen den Pfosten stehen. Der Torwart ist im Vorstand der Spielervereinigung Goal, zu der Matlachs Firma eine Partnerschaft unterhält.

»VBG-Beratung« ist auch das Metier von Andreas (»Turbo«) Buck. Der Fußballer, der in den Neunzigerjahren mit Stuttgart und Kaiserslautern deutscher Meister wurde, betreibt gemeinsam mit dem ehemaligen Fifa-Schiedsrichter Urs Meier die Firma Sportcare, die laut eigenen Angaben rund 500 Sportler betreut. Er bietet Kunden an, schon während der Karriere alle »verletzungsrelevanten Daten und Akten zu sammeln, um dann zu gegebener Zeit bestmöglich vorbereitet die Ansprüche gegen die VBG geltend machen zu können«.

Bereitwillig erzählt Buck, dass ihm selbst nach seiner Karriere überhaupt nicht bewusst gewesen sei, dass er Anspruch auf eine Rente haben könnte. Erst vier Jahre später habe ihn ein Spielerberater auf die Idee gebracht.

Er habe dann bei der VBG eine Liste seiner gemeldeten Unfälle angefordert. 50 seien während seiner Profizeit zusammengekommen. Nichts Großes, kein Kreuzbandriss, kein Knorpelschaden. Trotzdem genug, um am Ende eine Entschädigung zu bekommen. Mittlerweile würden bei Fußballprofis Unfälle akribischer als früher erfasst, berichtet er. Er vertrete etwa einen aktiven Nationalspieler, der 300 Unfälle auf seiner Verletzungsliste habe.

Auch seine Firma wirbt im Internet mit Klienten, die laut Buck nach ihrer Karriere eine Entschädigung bekommen haben. Unter ihnen sind der frühere Bayern-Star Giovane Élber und Guido Buchwald, einer aus dem Weltmeisterteam von 1990.

Buck findet nichts dabei, wenn Fußballmillionäre noch mehrere Hunderttausend Euro aus der Sozialversicherung kassieren. Dafür, sagt er, hätten die Vereine schließlich hohe Versicherungsbeiträge gezahlt.

Jansen
Jansen Foto: Tim Groothuis / Witters
Erdrückende Last
Die gewerblichen Berufsgenossenschaften müssen sich komplett aus ihren Einnahmen finanzieren. Jedes Jahr schickt die VBG deshalb den Unternehmen Rechnungen für die Ausgaben des Vorjahres.

Im April dieses Jahres fuhr vielen Klubchefs allerdings der Schreck in die Glieder. Die VBG wollte nämlich deutlich mehr Geld haben als im Vorjahr. Die Ausgaben seien kräftig gestiegen, hieß es zur Begründung. Zugleich aber fehlten den Vereinen wichtige Einnahmen, weil viele Ligen durch die Pandemie ihren Spielbetrieb vorzeitig abbrechen mussten.

Vertreter von Handball, Basketball, Volleyball und Tischtennis schrieben daraufhin einen Brandbrief an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil. Die Belastung, klagten sie, schnüre ihnen »die Luft zum Atmen« ab. Er müsse helfen.

Auch die Deutsche Eishockey Liga beschwerte sich. Deren Geschäftsführer, Gernot Tripcke, kann aus dem Effeff vorrechnen, wie die Zahlungen an die Sozialkasse das Geschäftsmodell des Profi-Eishockeys in Deutschland zu ruineren drohen. Der Versicherungsbeitrag für einen Kufenstar mit einem Jahresgehalt von 120.000 Euro brutto sei von gut 20.000 im Jahr 2018 auf nun rund 35.000 Euro gestiegen. Die 14 Erstligaklubs würden zusammen 130 Millionen Euro einnehmen, müssten davon ein Zehntel an die VBG überweisen. Das sei »erdrückend«.

In Absprache mit Handballern und Basketballern legten im Sommer drei Vereine Widerspruch gegen die Beitragsbescheide ein. In einem Musterverfahren wollen sie nun gemeinsam gegen die VBG klagen.

Sie argumentieren unter anderem, die Beitragshöhe sei verfassungswidrig, weil sie in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung unverhältnismäßig stark eingeschränkt würden. Tatsächlich gibt es in Deutschland ein sogenanntes Erdrosselungsverbot für staatliche Gebühren und Steuern. Doch bis die Gerichte darüber entscheiden, dürften Jahre vergehen.

Bitter
Bitter Foto: Wolf Sportfoto / imago images
Ohnehin wirken die Klagen ziemlich scheinheilig. Nicht nur dass Tripcke und die anderen Ligenchefs sich nicht daran stören, dass die Agenturen von Köpf & Co. mit ihrer Arbeit die Beiträge in die Höhe treiben. Vereine wie die Kölner Haie und die Düsseldorfer EG kassieren von Köpf sogar Sponsoringgelder.

Gerade Eishockeyklubs sind auch durch ihre eigene Personalpolitik für die Situation mitverantwortlich. So diene ausgerechnet die fürstliche deutsche Unfallversicherung als Argument, um Altstars aus der nordamerikanischen NHL für einen Wechsel nach Deutschland zu gewinnen, heißt es aus der VBG. Denn die deutsche Absicherung gilt weltweit als einmalig. Und so gibt es Sportler, die sich nach einem kurzen Gastspiel in den hiesigen Eishockeyhallen nun in Kanada über eine Rente aus Germany freuen.

Es sollte also keinen Klub überraschen, dass die Beiträge der Vereine trotz deren Höhe keineswegs ausreichen, die Ausgaben zu decken. 40 Millionen Euro muss die VBG Jahr für Jahr in ihrem Etat umschichten, um die Lücke zu schließen – mit Geld, das andere Berufssparten erwirtschaften, etwa Zeitarbeitsfirmen, die Schlosser und Reinigungskräfte vermitteln.

Die Berechnung des Beitrags ist kompliziert, eine wesentliche Komponente ist das Risiko in den einzelnen Berufssparten. Der aktuelle Gefahrentarif liegt für Bankangestellte bei 0,41 und für Fußballer bei 62,80. Am Ende der Rechnung zahlt deshalb der Sportverein bei gleichem Gehalt einen 150-mal höheren Beitrag für seinen Mitarbeiter als die Bank. Um kostendeckend zu sein, müsste der Tarif für bezahlte Sportlerinnen und Sportler aber bei über 80 liegen. Dann allerdings würde der Versicherungsbeitrag pro Spieler auf mehr als 44.000 Euro klettern.

Die Unterfinanzierung des Sports ist in den Gremien der VBG schon seit Jahren ein Thema. Unter anderem die Zeitarbeitsbranche kritisiert die Subvention des Sports, sie konnte sich bisher aber nicht durchsetzen.

Corona verschärft die Lage nun noch einmal. Durch Kurzarbeit nimmt die VBG weniger ein, muss aber langfristige Lasten wie Renten weiterhin tragen. Das Loch, das der Sport in den Etat reißt, lässt sich so schlechter ausgleichen. »Unsere Branche befindet sich in einer schwierigen Situation«, warnt Martin Dreyer vom Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen. »Ist die VBG der richtige Rahmen für den Sport?«, fragt er. »Die Unfallrisiken sind einfach zu hoch.«

25 Prozent aller Verletzungen im Fußball betrafen den Oberschenkel.
In der Saison 2018/19; Quelle: VBG-Sportreport 2020
Auch im Sport hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann. Noch höhere Beiträge würden das Geschäftsmodell des deutschen Profisports gefährden. Seit Monaten schon beraten Vertreter der höchsten deutschen Sportligen mit der VBG über eine Lösung.

Dabei gibt es innerhalb des Sports wenig Solidarität. Topligen wie die DEL würden gern die Sportler aus dem System ausschließen, die für ein paar Euro an den Wochenenden spielen und neben dem Sport einem normalen Beruf nachgehen. Der Vorschlag von Eishockeymann Tripcke: Wer unter 20.000 Euro im Jahr mit seinem Sport verdient, wäre nicht mehr gesetzlich versichert und müsste sich privat absichern.

Tatsächlich stehen bei den Feierabendsportlern Beitragseinnahmen und Ausgaben der VBG in einem besonders ungünstigen Verhältnis. Aber wäre deren Rausschmiss sozial? Es bliebe bei der absurden Absicherung für Fußballmillionäre, während ärmere Sportler leer ausgehen.

Der Staat soll zahlen
Der Königsweg für Sportfunktionäre wäre ein voller Versicherungsschutz bei niedrigen Beiträgen. Als Vorbild dient ihnen ausgerechnet eine sterbende Branche: der Bergbau. Weil dort durch immer weniger Beschäftigte die Einnahmen sinken, aber die Rentenlasten vorerst bestehen bleiben, wird dieser Berufzweig über einen Solidaritätsfonds aller Berufsgenossenschaften mitfinanziert. Als Alternative, so die Funktionäre, könnte der Steuerzahler die Renten für die angeblich so maladen Fußballmultimillionäre bezahlen.

Notwendig wären für solche Lösungen aber wohl Gesetzesänderungen. Zuständig ist Arbeitsminister Heil. Seit Wochen schon bemühen sich Vertreter des Sports und der VBG um ein Gespräch mit dem SPD-Politiker.

Dessen Haus aber bremst. »Gespräche über grundsätzlichen Reformbedarf« sollten erst nach Corona geführt werden, teilte Hubertus Heils Staatssekretärin Kerstin Griese den Ligenvertretern mit.

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