Der FC Luzern und das Verhängnis Bernhard Alpstaeg – oder wie sich ein erfolgreicher Unternehmer im Fussball austobt
Der Patron alter Schule findet im Fussball eine öffentliche Bühne, die ihm sein Firmenimperium nicht bietet. Der neuerliche Machtkampf in Luzern ist aber nicht nur eine Affäre Alpstaeg. Es geht in heimtückischen Ränkespielen auch darum, wer auf Spielertransfers Einfluss nehmen kann.
Peter B. Birrer, Dominik Feldges
13.10.2022, 11.30 Uhr
Geldgeber und Querschläger im Fussball, gleichzeitig Patron eines Firmenimperiums: Bernhard Alpstaeg vor dem Swisspor-Sitz in Steinhausen.
Geldgeber und Querschläger im Fussball, gleichzeitig Patron eines Firmenimperiums: Bernhard Alpstaeg vor dem Swisspor-Sitz in Steinhausen.
Pius Amrein / LZM
Nicht alles ist zitierbar, was Bernhard Alpstaeg verlauten lässt. Doch der eine Satz ist kurz und unverfänglich. Alpstaeg streut ihn gerne ein, wenn man ihn am Telefon oder an einem Tisch nach seinem Antrieb fragt. «Der FC Luzern ist sexy», pflegt er unvermittelt zu sagen. Der Klub hat Anziehungskraft, nicht nur in der Stadt Luzern, «vom Gotthard bis nach Aarau, vom Entlebuch bis nach Zug», wie Alpstaeg das potenzielle Einzugsgebiet vor zehn Jahren eingegrenzt hat.
Der Klub ist ein Spielzeug, eine Badewanne voller Emotionen. Er gibt Öffentlichkeit, ihm, dem 77-jährigen Unternehmer, den sonst kaum jemand kennen, geschweige denn seitenlang für eine Zeitung interviewen würde. Der FC Luzern dient Alpstaeg als Plattform, die ihm sein Unternehmen Swisspor nicht bietet. Er ist ein Pfeiler des Fussballklubs, weil er die Macht und Geld hat. Der Schweizer Fussball ist auf Geldgeber angewiesen.
Als er für sein Unternehmen für 10 Millionen Franken die Namensrechte für das 2011 eröffnete Fussballstadion erwarb, stellten sich ihm in einer Swisspor-Kadersitzung alle entgegen – im Verhältnis 1:6. So erzählte das Alpstaeg in einem NZZ-Interview 2012. Sich selber bezeichnete er schon damals als «Fussball-Spinner». Über seine Tochter sei er zum Fussball gelangt. Der Einstieg sei eine «patronale Entscheidung» gewesen.
So waren die Grossväter
Alpstaeg, der hemdärmelige Patron, ein Patriarch alter Schule. «So sind unsere Grossväter während der Kolonialzeit gewesen», sagt eine Person, die oft mit ihm diskutiert hat, die ihn zu besänftigen versuchte, wenn das Pferd wieder einmal mit ihm durchzugehen drohte – und durchging.
Zu oft geschieht das. Auch deshalb ist die Ausbeute für den FC Luzern nach etwas über zehn Alpstaeg-Jahren nicht mehr als bescheiden: null Ertrag im Europacup, selten mehr als Durchschnitt in der Meisterschaft. Der Cup-Sieg 2021 kaschiert viel und ist der in der Not überhöhte Lichtblick in Corona-Zeiten. Die Begleitmusik zum Dasein im sportlichen Grau sind schwelende Machtkämpfe, seit Jahren schon, immer wieder, und immer im Zusammenhang mit Alpstaeg.
Ein Teufel ritt den Mehrheitsaktionär des FC Luzern, als er im vorletzten «Sonntags-Blick» zum Rundumschlag gegen die Klubführung ausholte. Gegen den Präsidenten Stefan Wolf, der mit seiner ruhigen und besonnenen Art die Antithese zu Alpstaeg ist; gegen den Sportchef Remo Meyer, über den er just in jenem Moment herzog, in dem das Luzerner Schiff, das im vergangenen Winter zu kentern drohte, mit dem neuen Trainer Mario Frick wieder in ruhigeren Gewässern unterwegs zu sein schien.
Luzern hat viel, eigentlich – «eine nahezu optimale Ausgangslage», wie ein erfahrener Funktionär sagt: Zentralschweizer DNA, eine gute U-21-Mannschaft, mehr Publikum als vor der Pandemie, eine mit jungen Spielern gefüllte Pipeline, einen Trainer mit Zukunft.
Der FC Luzern ist «grösser als jede Person»
Der Boulevardjournalismus reibt sich gleichwohl die Hände. Je mehr ein Geldgeber zerschlägt, desto besser. Je mehr Destruktivität, desto mehr Aufsehen. Je schärfer er Personen angreift, desto einfacher. In einem Communiqué schreibt die Klubführung: «Letztlich ist der FC Luzern grösser als jede Person, in welcher Position sie auch immer tätig ist oder Einfluss zu nehmen glaubt.» Zuerst der Klub, nicht eine Person. Auch wenn es ein Geldgeber ist. Doch dieser sagt indirekt: zuerst ich. Ein Verhängnis.
Im Rückblick sagt Alpstaeg, dass das Interview ein Fehler gewesen sei. Er führte es neben der Medienstelle des Klubs und neben engen Beratern vorbei. Ein früherer Boulevardjournalist, der heute als Spielerberater tätig ist, hat orchestriert und Alpstaeg zum Austeilen ermuntert. Dies ist nur eine der vielen undurchschaubaren Ingredienzen im neuerlichen Fall Alpstaeg.
Der Geldgeber betätigt die Kettensäge
Doch im Grundsatz bleibt der Patron dabei: Er wolle «alles» auswechseln, den Sportchef, den Verwaltungsrat, «alles, und wenn es sein muss: noch mehr». Wie bitte? Alle müssen gehen, Alpstaeg bleibt. Er wirkt so, als sei er mit der Kettensäge unterwegs. Alpstaeg startet den Motor, und Stefan Wolf verfällt in Paralyse. Und mit ihm der Anfang 2021 neu gebildete Verwaltungsrat, der einer Fehleinschätzung unterliegt und glaubt, den Haudegen domestiziert zu haben.
Der Ursprung des neuerlichen Vulkanausbruchs ist beim Fussballer Ardon Jashari zu finden. Es geht um Beratungsmandate, weil Jashari jung und talentiert ist und dereinst ein paar Millionen einbringen könnte. Schwer verständlich ist, weshalb sich der steinreiche Alpstaeg verführen liess, von wem auch immer; weshalb er eine Firma gründete und im Spielergeschäft mitmischen will. Wo Alpstaeg ist, ist Geld. Das ist wie ein Licht, das Mücken anzieht.
Kaufen, verkaufen – das kennt er aus seinem Swisspor-Geschäft. Aber als Klubchef einen Spieler des eigenen Klubs im Portfolio haben zu wollen? Allein der Gedanke ist eine sportpolitische Sünde sondergleichen. Es soll um Bildrechte eines 20-Jährigen gehen. Um Bildrechte, die dem Klub gehören. Willkommen im Fussball 2022.
Der 20-jährige Ardon Jashari kann sich neuerdings Nationalspieler nennen und weckt Begehrlichkeiten.
Gian Ehrenzeller / Keystone
So legt sich Alpstaeg mit Spielerberatern an, die um Jashari balzen. Er verordnet ein Stadionverbot. Er arbeitet stattdessen mit dem Agenten Giacomo Petralito zusammen, zu dem wiederum der Sportchef Remo Meyer Distanz hält. Vielleicht wollen neben Petralito auch andere (wieder) Zugang zum FC Luzern. Deshalb muss Meyer weg, dessen Integrität auf heimtückische Weise infrage gestellt wird. Im September hat das Onlineportal «Nau» in den Raum gestellt, Meyer drehe mit dem neuen Jashari-Berater gemeinsame Dinge. Gerüchte streuen, anschwärzen, destabilisieren.
Bedenklich ist, dass nicht zum ersten Mal Äusserlichkeiten wie Frisuren zum Thema werden. Weltfremde Stellvertreter-Schauplätze.
Alpstaeg ist 77 Jahre alt. Aber er lässt nicht los. Er denkt nicht daran. Er will es der Luzerner Welt zeigen. Sich bewegen, gestalten. Doch auf Anerkennung stösst er mit seinem Gebaren nicht. Sollte er «alles» auswechseln, wird er keine Freundschaften dazugewinnen. Alpstaeg, der Solist, der die Macht seines Kapitals im Rücken hat. «Skurril, folkloristisch, gmögig, aus der Zeit gefallen», sagt ein Alpstaeg-Kenner.
Der Haudegen führt ein Geschäftsimperium
Als Unternehmer steht Alpstaeg deutlich weniger im Rampenlicht als im Fussball. Er hat es geschafft, im Bausektor ein Geschäftsimperium mit einem Umsatz von rund 1,7 Milliarden Franken aufzubauen – von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt.
Der Startschuss für die erfolgreiche Unternehmerkarriere erfolgte 1971, als der damals erst 26-Jährige zusammen mit seinem Bruder Georges Alpstaeg die Firma Swisspor in Boswil bei Muri (AG) gründete. Inzwischen ist dieser Hersteller von Dämmstoffen und Gebäudehüllen zu einem internationalen Konzern mit einer Milliarde Franken Umsatz und rund 1600 Beschäftigten angewachsen.
Ein geschicktes Händchen bewies Alpstaeg besonders in Ostmittel- und Südosteuropa, wo er früh die grossen Wachstumschancen im Bausektor dieser Regionen erkannte. 1999 wurde das erste Werk für die Produktion von Dämmstoffen in Polen eröffnet. Mittlerweile betreibt Swisspor allein in diesem Land vier Fabriken. Wiederholt expandierte die Firma auch durch die Übernahme von Konkurrenten. Einkaufen. Grösser werden.
Alpstaeg fungiert bis heute bei Swisspor als Mehrheitsaktionär. Sein Bruder hält den restlichen Anteil, doch zu ihm soll er keinen Kontakt mehr haben. Zudem präsidiert er den Verwaltungsrat des Unternehmens. Sein zweites Standbein im Bausektor ist die Swisspearl-Gruppe, in der Schweiz und in Österreich besser bekannt unter der Marke Eternit. In den Besitz dieses traditionsreichen Herstellers von Faserzement gelangte er 2009.
Rückwirkend per Anfang dieses Jahres übernahm Swisspearl von Finanzinvestoren den dänischen Konkurrenten Cembrit und erhöhte dadurch auf einen Schlag den Umsatz von rund 300 auf 700 Millionen Franken. Der Personalbestand nahm von 1400 auf 2600 Mitarbeiter zu.
Der Patron hat in Steinhausen (ZG), wo sich mittlerweile der Hauptsitz von Swisspor befindet, nach wie vor ein Büro. Das Wort Ruhestand scheint Alpstaeg bis heute nicht zu kennen. Lieber präsentiert er sich als Chrampfer, der bekannt dafür ist, täglich um sechs aufzustehen und das Büro nicht vor 18 Uhr zu verlassen.
«Etwas mehr arbeiten als andere» lautet sein Lebensmotto. Er propagiert es auch auf der Website von Swisspor und macht damit klar, dass er von allen Beschäftigten eine ähnliche Haltung erwartet.
Offiziell sind keine Zahlen erhältlich
Wer hohe Leistungsansprüche stellt, hat in der Regel auch geschäftlich mehr Erfolg. So soll die Profitabilität bei Swisspor und Swisspearl, wie aus dem engen Umfeld von Alpstaeg zu vernehmen ist, im Branchenvergleich einen überdurchschnittlichen Wert erreichen. Die Umsatzrendite auf Stufe Betriebsergebnis (Ebit) liege, über das ganze Imperium von Alpstaeg gerechnet, im zweistelligen Prozentbereich. Ausführliche Geschäftszahlen sind allerdings weder von Swisspor noch von Swisspearl erhältlich.
Ein Bild aus früheren Zeiten: Bernhard Alpstaeg empfängt 2010 die damalige Bundesrätin Doris Leuthard an der Swissbau-Messe in Basel.
Ein Bild aus früheren Zeiten: Bernhard Alpstaeg empfängt 2010 die damalige Bundesrätin Doris Leuthard an der Swissbau-Messe in Basel.
Georgios Kefalas / Keystone
Alpstaeg hat sich selber schon als «Bau-Chnuschti» bezeichnet. Er will auf die einfachen Leute hören, auf diejenigen, die ungehobelt reden können. Staatsangestellte sind ihm ein Graus. Warum funktioniert mit Alpstaeg im Bauwesen, was mit ihm im Fussball schiefgeht? Fussball sei komplexer, allein kommunikativ, jedes Wochenende gebe es Resultate, sagt ein früherer Mitbesitzer des FC Luzern. Alpstaeg ist kein Kommunikator. Die Bühne ist nicht für ihn. Eigentlich.
Er funktionierte stets nach dem Modell kaufen und verkaufen. Seine Produkte werden relativ einfach hergestellt. Die Dämmstoff-Branche (Wärme- und Schalldämmung) zeichnet sich durch kleine Margen und enorme Volumen aus, weil sie im Boden, an Fassaden und im Dach zum Zug kommt. Allgemein hält sich Alpstaeg über seine Geschäftsaktivitäten in der Öffentlichkeit seit Jahren bedeckt. Wer trotzdem Auskunft erhalten will, muss es über Vertrauensleute des Unternehmers versuchen.
Ein grosses Thema, das Alpstaeg zurzeit neben seinem Engagement im FC Luzern beschäftigt, ist die Nachfolgeregelung. Der Geschäftsmann hat sich damit wie viele Patrons viel Zeit genommen – «allzu viel Zeit», wie kritische Stimmen monieren.
Nun scheint er sich aber doch noch dazu aufgerafft zu haben. Börsenpläne werden aus dem Umfeld der Firma weit von sich gewiesen. Offenbar sollen Swisspor und Swisspearl Familienunternehmen bleiben. Das bedingt indes, dass die nächste Generation in die Führung eingearbeitet wird.
Das Fuder für die Tochter ist überladen
Genau dies soll Alpstaeg nun mit seiner Tochter Giulia Alpstaeg verfolgen. Die 30-Jährige ist das einzige Kind des Patrons und arbeitet in der Marketingabteilung von Swisspor. Zudem sitzt sie bereits in den Verwaltungsräten beider Firmen ihres Vaters. Die beiden nähmen sich bewusst Zeit und würden den Generationenwechsel schrittweise aufgleisen, heisst es.
Das sind Lasten, die nicht zu unterschätzen sind. Deshalb fragt sich umso mehr, weshalb Alpstaeg seine Tochter auch im Zusammenhang mit dem FC Luzern öffentlich ins Spiel gebracht hat. «Das Fuder ist für sie mehr als überladen», sagen besorgte Wegbegleiter Alpstaegs. Wie klein die Welt ist, zeigt das Faktum, dass selbst der künftige Schwiegersohn Alpstaegs zu einem Spielball in dieser Affäre wurde.
Darauf angesprochen, dass der FC Luzern mit ihm immer wieder in Turbulenzen gerät, entgegnet der Patron: «Erst zum zweiten Mal.» Das stimmt so natürlich nicht. Oder nur halb. Die letzte Grossfehde, in der um Aktienanteile und Macht gerungen wurde, dauerte sagenhafte 18 Monate. Oder noch länger.
Ist das nicht etwas sehr lang, Herr Alpstaeg? «Ja, ja, streiten tut gut», sagt er.