Neue Zürcher Zeitung, Fatina Keilani , Dominic Wirth , Daniel Gerny, 15 Januar 2025 hat geschrieben:Sport
Die Schweizer Klubs beteiligen sich längst an den Polizeikosten
Bundesligavereine müssen bei Hochrisikospielen künftig mitzahlen – auch im hiesigen Fussball war ein Gerichtsurteil richtungsweisend
Am Dienstag hat das deutsche Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Fussballklubs der ersten und der zweiten Bundesliga die Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen mitfinanzieren müssen. Mit dem Entscheid beendete das Bundesverfassungsgericht in Deutschland einen jahrelangen Rechtsstreit. Der Stadtstaat Bremen hatte 2015 vor einem Hochrisikospiel zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV eine neue Gebührenordnung erlassen. Gemäss dieser dürfen erwartbare Mehrkosten, die wegen eines grösseren Polizeiaufgebots anfallen, an die Deutsche Fussball-Liga (DFL) weitergereicht werden.
Die DFL hatte gegen diese Bestimmung zunächst vor dem Verwaltungsgericht geklagt und bestritt danach den Weg durch sämtliche juristische Instanzen. Diese Erschöpfung des Rechtswegs ist nötig, um eine Verfassungsbeschwerde erheben zu können.
Neuenburg als Vorreiter
Das Bundesverfassungsgericht wies die Verfassungsbeschwerde der DFL nun zurück. Der Entscheid bedeutet, dass die Mehrkosten für die Polizei bei Hochrisikospielen künftig der DFL auferlegt werden können. Das Urteil vom Dienstag betrifft zunächst zwar nur Bremen, hat jedoch zur Folge, dass andere Bundesländer nun ebenfalls entsprechende Gebührenordnungen erlassen können.
In der Schweiz ist eine Kostenaufteilung, wie sie das deutsche Bundesverfassungsgericht nun vorspurt, schon seit Jahren Realität: Die Fussballklubs kommen für einen grossen Teil der Sicherheitskosten im Zusammenhang mit Risikospielen selbst auf. Und auch hier war es das Bundesgericht, das diesem Prinzip zum Durchbruch verhalf – allerdings bereits vor fünfzehn Jahren.
Damals war es der Kanton Neuenburg, der in einer Verordnung ganz ähnlich wie nun Bremen festlegte, dass sich die Fussballklubs an den Sicherheitskosten beteiligen müssen. Xamax zog 2009 bis vor Bundesgericht und unterlag. Seither müssen die Klubs bis zu 80 Prozent der Sicherheitskosten übernehmen.
Der Entscheid sieht allerdings ein Anreizsystem vor, wonach die Vereine die Kosten auf 60 Prozent drücken können, wenn sie selbst Anstrengungen unternehmen, die Ausschreitungen entgegenwirken. Das Urteil hatte weitreichende Folgen: Heute sind Art und Höhe der Kostenbeteiligung zwischen den Behörden und den Klubs an den meisten Orten in teilweise detaillierten Vereinbarungen geregelt.
Die Stadt Bern, wo der Schweizer Meister Young Boys zu Hause ist, setzt seit der Saison 2014/15 auf ein zweistufiges Abgeltungsmodell. Dieses sieht vor, dass die Klubs grundsätzlich einen pauschalen Betrag von 1 Franken 50 pro anwesenden Zuschauer bezahlen. Allerdings beinhaltet die Vereinbarung ein Kostendach. Laut diesem müssen die Klubs lediglich 60 Prozent der anfallenden Polizeikosten übernehmen, und dies nach Abzug einer Grundversorgung von 200 Polizeistunden pro Heimspiel. Mit zusätzlichen Sicherheitsmassnahmen kann YB das Kostendach auf 50 Prozent senken.
Im Kanton Basel-Stadt verzichtet das Sicherheitsdepartement auf eine Verrechnung der ersten 250 Einsatzstunden. Alles, was darüber hinausgeht, wird dem FC Basel zu 50 Prozent in Rechnung gestellt. In Jahren, in denen sich der Klub nicht für die Champions League qualifiziert, muss er aber nur 25 Prozent der Kosten decken, die über die Grundversorgung hinausgehen.
In Zürich sind wie in Bern 200 Polizeistunden in der Grundversorgung enthalten. Zusätzlich anfallende Stunden werden dem FC Zürich und den Grasshoppers zur Hälfte verrechnet, wobei bei nationalen Partien ein jährliches Kostendach von 500 000 Franken gilt und bei internationalen separat pro Begegnung eines von 200 000 Franken.
Laut einem Bericht der Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Zürcher Gemeinderats hat der FC Zürich diesen Deckel in den vergangenen Jahren erreicht, die Grasshoppers dagegen nicht. Die Fangewalt treibt insbesondere die Stadtzürcher Politik gerade stark um, weshalb auch der GPK-Bericht entstand. Die FDP setzte sich im Dezember im Gemeinderat dafür ein, dass die Klubs einen grösseren Teil der Sicherheitskosten übernehmen müssen, allerdings ohne Erfolg.
Ungelöstes Gewaltproblem
Zwar werden Steuerzahlerinnen und Steuerzahler durch die Vereinbarungen zwischen Kantonen, Städten und Fussballklubs entlastet, doch das Gewaltproblem in Zusammenhang mit Sportveranstaltungen wurde nicht gelöst. Die Diskussion rund um Hooligans und Ausschreitungen nach Fussballspielen geht seit Jahren in unverminderter Härte weiter. Vereine und die Fans auf der einen Seite sowie die Kantone und die Gemeinden auf der anderen Seite stehen sich in wichtigen Fragen gegenüber.
Weil Gewalt bei Fussballspielen nicht nur ein finanzielles Problem ist, sondern die öffentliche Sicherheit sowie die knappen Ressourcen bei den Polizeikorps betrifft, fordern die Bewilligungsbehörden noch mehr Engagement. Nun geht es zwar nicht mehr um die Kosten – aber noch immer darum, inwiefern die Klubs für Ausschreitungen ausserhalb des Stadions in die Pflicht genommen werden können, ohne dass dadurch die Grundrechte verletzt werden.
In den vergangenen Jahren wurden mehrfach ganze Fankurven gesperrt oder Fussballfans der Zugang zum Stadion verwehrt, nachdem es in den Spielen zuvor zu Gewaltausbrüchen gekommen war. Die Klubs wehren sich gegen diese Massnahmen und stellen sich auf den Standpunkt, dass sie die Dynamik ausserhalb des Stadions nicht beeinflussen können. Problematisch an solchen Sperren ist zudem, dass sie zum grossen Teil Fans treffen, die sich korrekt verhalten. Das bringt die Fankurven gegen die Politik auf.
Vorgesehen ist dieser harte Kurs im sogenannten Kaskadenmodell, das Kantone und Gemeinden gemeinsam ausgearbeitet haben. Gewisse Vorfälle lösen dabei automatisch bestimmte Massnahmen aus. Eine Schliessung von Fankurven wird beispielsweise dann ausgesprochen, wenn sich deren Fans an Ausschreitungen beteiligt haben, die zu Verletzten geführt haben. Das gilt auch für Vorfälle ausserhalb des Stadions.
Ursprünglich hat die Swiss Football League dieses Konzept mitgetragen; mittlerweile wird es offen bekämpft. Es wird als System zur Kollektivbestrafung gegeisselt. Ob das Kaskadenmodell auf die Dauer politisch durchsetzbar bleibt und ob es vor Gericht Bestand hat, ist offen. Eine Beschwerde des FC Zürich gegen Massnahmen im Rahmen des Kaskadenmodells ist hängig.