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von Incubator » 31. Okt 2009, 15:45
Lieber Walter Stierli,
Ob offiziell oder nur innerlich; leider wird man das ungute Gefühl nicht los, dass ein Entscheid in der Kunstrasenfrage bereits gefällt ist. In den letzten Tagen änderten sich ihre öffentlichen Aussagen vom unschlüssigen Abwägen zur klaren Positionierung für die Plastikunterlage. Eine Entwicklung, die bei den meisten treuen Fans Enttäuschung und vor allem Resignation hervorruft.
Sie betonen häufig die betriebswirtschaftliche Rationalität die hinter einem Entscheid für den Kunstrasen steht. Sie haben auch mehrfach betont, dass ein Fussballverein wie ein Unternehmen geführt werden muss. Das mag stimmen, und ich bin froh, dass diese Philosophie die zwielichtigen Geschäftspraktiken einiger ihrer Vorgänger abgelöst hat. Dennoch, wahrscheinlich kann kaum ein betriebswirtschaftliches Unternehmen derart uninteressiert mit den Meinungen seiner treusten „Kunden“ umgehen. Als Betriebsleiter haben sie Glück: der Fussball ist – um beim ökonomischen Terminus zu bleiben - ein inelastisches Gut. Will heissen: Die Leute kommen ohnehin.
Es ist zeitweise ernüchternd, wie wenig die Meinung dieser Leute zählt. Es sind häufig die Leute, denen der Verein am meisten am Herzen liegt, welchen der wöchentliche Gang ins Stadion etwas vom Liebsten ist was sie haben. Jene, die seit Jahren sogar an grauen Wochentagabenden bei Regen, Schneefall oder Minustemperaturen irgendwo in die Schweizer Provinz fahren, um ihren FCL zu unterstützen.
Ihnen gegenüber argumentiert man jedoch mit diffusen Zahlen, welche dem Verein vielleicht in ein paar Jahren finanzielle Einsparnisse bringen. Dass wohl die grosse Mehrheit der Anhänger auf ein paar hundertausend Franken im Vereinsbudget verzichtet, wenn sie damit den Kunstrasen verhindern könnten, wird ignoriert.
Es geht diesen Leuten nicht um die dumpfe Ablehnung von Innovation und Neuem. Vielmehr geht es darum, Werte wie Einsatz, Aufopferungsbereitschaft oder Identifikation – die auch im alltäglichen Leben Geltung haben – nicht durch einen Fussball ohne Emotion in antiseptischer Turnhallenatmosphäre ersetzen zu lassen.
Schlussendlich geht es um die Frage, wofür denn der Fussball eigentlich da ist. Denn er darf nicht zum wirtschaftlichen Selbstzweck verkommen. Ob Spieler oder Fan, ohne die zahlreichen Menschen denen der Fussball Freude bereitet, kann er nicht existieren. Wenn die Meinung dieser Menschen nicht mehr gehört wird, verliert der Fussball seine Legitimation.
Ich grüsse sie in der Hoffnung, dass solche Gedanken in den Entscheidungsprozess einfliessen,
Argyle
Falls mir jemand per PN die private oder direkte Geschäftsmailadresse von Stierli hat, geht dieser Text noch heute an ihn. Merci.
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Incubator am 31. Okt 2009, 16:12, insgesamt 1-mal geändert.