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Nettoerlös aus Fussball-Transfers: Die Schweiz ist weltweit in den Top Ten
Auch wenn die Schweizer Super League heuer im Zuge von Corona wahrscheinlich keinen grossen Transfer tätigen kann, tut dies ihrem guten Ruf keinen Abbruch. Sie nimmt mit Transfers viel mehr ein, als sie ausgibt. Eine Fifa-Studie zeigt nun, welche Fussballer am begehrtesten sind und welche Klubs am profitabelsten transferieren.
Peter B. Birrer
30.08.2021, 13.06 Uhr
Am späten Dienstagabend wird im internationalen Fussball das Sommer-Transferfenster 2021 geschlossen. Noch können die Transferbewegungen nicht bilanziert werden. Doch die rückläufige Tendenz scheint klar, gerade aus der Sicht der kleineren Ligen wie der Schweizer Super League. Kein hiesiger Klub hat bis jetzt in diesem Sommer einen namhaften Transfer getätigt und entsprechend Geld eingenommen. Das sind die Folgen der Corona-Pandemie, die dem zuvor wachsenden und florierenden Fussballgeschäft zusetzt. Nicht überall, nicht in Katar und bei Paris Saint-Germain, aber anderswo.
Doch die Schweizer Klubs müssen sich nicht verstecken und klein machen. Schliesslich sind Erlöse aus Spielertransfers fester Bestandteil ihres Geschäftsmodells, das ohne Transfergeld noch mehr Defizit einführe. Eine Studie des Weltfussballverbands Fifa berücksichtigt das letzte Jahrzehnt und legt dar, wie gut der hiesige Fussball auf Dauer gearbeitet hat.
Die Transfer-Champions mit der besten Nettobilanz
Werden die Transfer-Nettoerlöse in den 10 Jahren zwischen 2011 und 2020 summiert, ist die Schweizer Liga weltweit in den Top Ten klassiert – mit einem Nettogewinn von fast o,5 Milliarden US-Dollar. Das ist beachtlich, weil sie in Europa sogar den 5. Platz belegt, hinter dem einsamen Spitzenreiter Portugal (3 Milliarden), hinter den Niederlanden, Frankreich und Belgien. Die Schweiz funktioniert als Sprungbrett, als Ausbildungsliga. Eine andere Option bleibt ihr nicht.
Interessant sind in dem Zusammenhang die Namen jener Klubs, die im Transferwesen die beste Nettobilanz ausweisen. Man könnte sie auch Transfer-Champions nennen. Dazu gehören nicht die Grossen, nicht die Engländer oder Spanier, die für Spieler vor allem Geld ausgeben. Nein, am besten geschäften die drei portugiesischen Klubs Sporting Lissabon, Benfica Lissabon und Porto, vor Ajax Amsterdam, Olympique Lyonnais, Lille, dem São Paulo FC (Brasilien), Salzburg, Monaco, Schachtjor Donezk, Dynamo Zagreb, Borussia Dortmund und dem FC Basel.
Die Basler verkauften in der von der Fifa untersuchten Zeitspanne in der Ära des Präsidenten Bernhard Heusler Spieler wie Xherdan Shaqiri, Granit Xhaka, Mohamed Salah, Breel Embolo oder Manuel Akanji für viel Geld in die grossen Ligen. Sie sicherten sich darüber hinaus Millionen schwere Beteiligungen, wenn die Spieler später weiter verkauft wurden, wie zum Beispiel Xhaka 2016 von Mönchengladbach zu Arsenal.
Herber Rückschlag für Spieleragenten
Auf der anderen Seite der Transferskala führt England die Liste der Nettoverluste mit 7,2 Milliarden US-Dollar und grossem Vorsprung an, vor China (–1,4), Italien (–1,3), Deutschland (–0,9) und Russland (–0,8). Das sind die hauptsächlichen Käuferländer, die Geld ins Transfersystem pumpen, wovon am Ende kleine Ligen profitieren.
Weitere Folgerungen und Kennzahlen aus der Fifa-Studie:
Wurden 2011 mit Transfers weltweit 2,85 Milliarden US-Dollar umgesetzt, stieg die Zahl bis 2019 sukzessive auf 7,35 Milliarden an. Im Corona-Jahr sackte der Betrag auf 5,6 Milliarden ab.
Es werden weltweit mit Abstand am meisten brasilianische Spieler transferiert. In zehn Jahren waren es 15 000, also rund 1500 pro Jahr. Auf dem 2. Rang ist Argentinien klassiert mit jährlich 740 Transfers.
Die meisten Spielerbewegungen finden zwischen Brasilien und Portugal statt – in beiden Richtungen. Und zwischen England und Schottland.
2020 schwächte sich der Transfermarkt merklich ab, allein die weltweiten Bewegungen reduzierten sich von 18 000 auf 17 000. 2020 wurden 18 Prozent der Spielerwechsel leihweise vollzogen. Das ist ein Corona-bedingter, starker Anstieg. 2020 reduzierten sich die Transferausgaben in den meisten Ligen. In England und Portugal stiegen sie im Corona-Jahr im Vergleich zu 2019 erstaunlicherweise an.
Auch die Spieleragenten erlitten 2020 einen herben Rückschlag. Ab 2011 vermehrten sich ihre jährlichen Transferprovisionen von 130 Millionen US-Dollar auf den Höchststand von 640 Millionen im Jahr 2019. Das ist in einem Jahrzehnt ungefähr der Faktor 5. Im Corona-Jahr ging der Betrag um 25 Prozent auf 480 Millionen zurück.
Der noch immer stattliche Transferanteil für die Spieleragenten ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Solidaritätszahlungen und Ausbildungsentschädigungen für kleine Klubs rückläufig sind. Am Ende der Transferkette warten zu viele Ausbildungsklubs zu lange auf Geld, das zum Teil nicht einmal eintrifft. Diesem Missstand will die Fifa mit dem neuen Transfersystem «Clearing-House» Einhalt gebieten.