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von Guru77 » 27. Feb 2013, 08:37
Schweiz Gestern, 16:40
Gewalt in Sportstadien
Schärferer Gegenwind für Hooligan-Konkordat
Zug könnte als erster Kanton den Beitritt zum erweiterten Hooligan-Konkordat ablehnen. Und auch in den beiden Basel dürfte das Projekt scheitern. Damit zeichnen sich Lücken ausgerechnet in Kantonen mit grossen Eishockey- und Fussballklubs ab.
Erich Aschwanden, Daniel Gerny
Der Zuger Sicherheitsdirektor Beat Villiger hat alles versucht, um im letzten Moment noch möglichst viele Parlamentsmitglieder umzustimmen. Doch wenige Tage bevor der Zuger Kantonsrat am Donnerstag über das verschärfte Hooligan-Konkordat diskutiert, wagt er keine Prognose über den Abstimmungsausgang. «Die im Vorfeld geäusserte kritische Haltung ist teilweise immer noch vorhanden», bedauert Villiger, der Vizepräsident der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) ist. Bevor das Geschäft Ende Januar zum ersten Mal traktandiert war, hatten sich mit Ausnahme seiner CVP und der GLP sämtliche Fraktionen gegen die vorgeschlagenen Massnahmen (siehe Kasten) ausgesprochen.
Nein von rechts und links
Klipp und klar Nein zum Beitritt sagt weiterhin die SVP. Die geplante Bevormundung aller Stadionbesucher sei für seine Partei inakzeptabel, erklärt Kantonsrat Beni Riedi. Der EV Zug zeige mit seinen für die neue Bossard-Arena konzipierten Sicherheitsmassnahmen, dass es auch ohne generelle Verbote gehe. Im dem im Jahr 2010 eröffneten Eishockeystadion werden nur noch die Gästefans kontrolliert. Völlig inakzeptabel ist für Riedi auch ein Alkoholverbot. Keinen Anlass für eine Neubeurteilung sieht man auch bei den Alternativen Grünen, wie Fraktionschef Stefan Gisler sagt. Es werde suggeriert, dass die Gewalt in den Sportstadien zugenommen habe, was gar nicht der Fall sei. Die Bekämpfung des Hooliganismus werde genutzt, um die Freiheitsrechte der Bürger einzuschränken. Ablehnende Signale kommen auch von der SP.
Gekippt ist jedoch die FDP. Die Mehrheit der Fraktion will dem Hooligan-Konkordat nun doch zustimmen. Wie Kantonsrat Thomas Lötscher sagt, hat eine Rolle gespielt, dass man Sicherheitsdirektor Villiger, der sich an vorderster Front für das Konkordat eingesetzt hat, nicht im Regen stehen lassen wollte. Lötscher und andere FDP-Vertreter wollen jedoch weiterhin Nein stimmen.
Zwar ist offen, ob ein ablehnender Entscheid aus Zug in anderen Kantonen Signalwirkung hätte – beispielsweise in Bern, wo die vorberatende Kommission der Vorlage zwar klar zugestimmt hat, aber die ausserparlamentarische Opposition tendenziell Aufwind hat.
Polizeidirektor ist dagegen
Auch im Kanton Zürich wird der Entscheidprozess im Nachbarkanton mit Interesse verfolgt. Denn hier wird das Volk voraussichtlich am 9. Juni über den Beitritt zum erweiterten Konkordat abstimmen, nachdem ein Referendum zustande gekommen ist (NZZ 16. 02. 13). Vom Kanton Basel-Stadt ist schon seit längerem bekannt, dass die Mehrheit der Parteien dem Konkordat negativ gegenübersteht. Seit Anfang Februar ist ein neuer Polizeidirektor im Amt, der das Konkordat ebenfalls ablehnt: Ob das Geschäft überhaupt noch ins Parlament kommt, ist offen. Im Departement gibt man dazu derzeit keine Auskunft.
Überraschender ist die deutliche Ablehnung, die der Vorlage im Baselbieter Parlament droht: Die CVP ist hier, ähnlich wie in Zug, die einzige grössere Partei, die den Verschärfungen positiv gegenübersteht, während FDP und SVP klar dagegen Position beziehen. Die SVP wehrt sich gegen den mit der Beteiligung am Konkordat verbundenen Souveränitätsverlust für den Kanton, sie erachtet die Vorlage aber auch materiell als unverhältnismässig: Es bestehe ein «eklatantes Missverhältnis» zwischen der grossen Anzahl friedlicher Besucher von Sportanlässen und einigen wenigen Hooligans, weshalb die neuen Massnahmen schnell zur undifferenzierten Schikane ausarten könnten. Und die FDP erachtet die geltenden Massnahmen «auf Grund der guten Zusammenarbeit zwischen den Vereinen, den Verbänden, den Fan-Clubs und der Polizei als ausreichend». Damit steht praktisch fest, dass das Konkordat im Landrat chancenlos ist.
Appenzell Innerrhoden, Uri, St. Gallen und Luzern sind dem erweiterten Hooligan-Konkordat bereits beigetreten. Eine Gruppe Fussballfans aus verschiedenen Kantonen hat jedoch beim Bundesgericht Beschwerde gegen den Beitritt Luzerns eingereicht. Damit wird das oberste Gericht die Verfassungsmässigkeit der Massnahmen beurteilen. Luzern verzichtet wegen der Klage vorläufig auf die Anwendung der neuen Konkordatsbestimmungen, wie das Justiz- und Sicherheitsdepartement am Dienstag bekanntgab. Ursprünglich war vorgesehen, dass sämtliche Besucher der Heimspiele des FC Luzern ihre Ausweise hätten vorzeigen müssen.
KKJPD hält an Vertrag fest
Unklar ist, welche Auswirkungen die Beschwerde in Zug hat, wo das Parlament am Donnerstag entscheidet: Regierungsrat Villiger hofft weiterhin darauf, dass sein Kanton nicht als erster einen Beitritt ablehnt. «Wir hätten dadurch im Kampf gegen die Gewalt im Sport klar schlechtere Karten als jene Kantone, die beitreten», befürchtet er. Klar ist, dass sich die KKJPD von einigen Ausreissern unter den Kantonen nicht beeindrucken lässt und an der Konkordatserweiterung festhalten würde. Zwar bedauerte man negative Entscheide, zumal sich Lücken ausgerechnet in Kantonen abzeichnen, in denen ein Eishockey- (EV Zug) und ein Fussballklub (FC Basel) mit einer grossen Anhängerschaft zu Hause sind. Doch für eine landesweite Dynamik, die dem Konkordat als Ganzem schaden würde, scheint es zu spät.
Fußball spielen ist sehr simpel, aber simplen Fußball zu spielen, ist das Schwierigste überhaupt. (Johan Cruyff)
Bei einem Fußballspiel verkompliziert sich allerdings alles durch die Anwesenheit der gegnerischen Mannschaft. (J.-P. Sartre)
Die Situation ist bedrohlich, aber nicht bedenklich. (Friedhelm Funkel)