Mich dünkts bitzli Lobhudelei für Contini, aber schon immer wieder erneut gruselig solche Sachen über die Konstrukte wie Losann oder eben Tschissiii zu lesen.
NZZ
Für den Trainer Giorgio Contini sind die Unruhen im Grasshopper-Club ein laues Lüftchen
Der 48-jährige Winterthurer ist erfahren mit Klubs, die aus dem Ausland gesteuert werden. Contini sagt, er sei widerstandsfähiger geworden. Im chinesischen GC-Reich behilft er sich mit Humor, Angriff, Distanz, Ironie, Sarkasmus und Wir-Gefühl.
Die Szene spielt sich nach einem GC-Match ab. Giorgio Contini wird in einer kleinen Runde gefragt, wie er die Leistung des Spielers «Tsi» beurteile. «Wer ist das?», fragt der GC-Trainer zurück. «Tsy, Tsi oder Tschi Ndenge, wie spricht man das aus?», schiebt der Medienvertreter nach. «Aha, Tsiy Ndenge», antwortet Contini, er habe schon gedacht, dass das ein GC-Spieler sei, der Tschi oder Tsi oder Tsing heisse – und den er als Trainer noch nie gesehen habe, «ein Chinese, ist ja alles möglich».
Giorgio Contini ist wortgewandt und hat Humor. So war er schon als Spieler, als Stürmer, in jener Saison 1999/2000, die in der Ostschweiz der Verklärung dienlich ist. Der Ghanaer Charles Amoah erzielte damals 26 Tore, Contini deren acht – und der FC St. Gallen wurde Schweizer Meister.
Das ist lange her.
Jetzt trainiert der 48-jährige Contini den Grasshopper-Club, der Teil des chinesischen Unternehmens Fosun ist. Vorher, zwischen 2018 und 2021, arbeitete er für den FC Lausanne-Sport, der zum britischen Petrochemie-Konzern Ineos gehört. Fosun und Ineos stehen für Milliardenumsätze und haben nichts mit dem zu tun, wofür etwa der FC Winterthur steht, für den der Winterthurer Contini einst spielte.
Nizza bestimmt in Lausanne
Doch jetzt navigiert Contini in Zürich im chinesischen Ableger GC, der mit Wolverhampton verbandelt ist, dem ebenfalls chinesisch kontrollierten Klub aus der Premier League. In Lausanne hatte es Contini mit Briten und vor allem mit Franzosen zu tun, weil auch der Ligue-1-Klub aus Nizza unter dem Ineos-Dach untergekommen ist und Lausanne als Juniorpartner behandelt. Eine Frage in den letzten Wochen an Contini ist, ob nicht schon in Lausanne mit Ineos «alles etwas weit weg» gewesen sei. Seine Antwort, mit einem Lachen garniert: «Ja, aber das war näher als China.»
Ob Ineos, ob Fosun – Contini bewahrt die Contenance. Das bescheinigen ihm Personen, die Einblick ins mysteriöse GC-Haus haben. Er kontert mediale Bemerkungen zum chinesischen GC-Gerüst wahlweise mit Humor, mit Angriff, mit Witz, mit Gelassenheit, mit Ironie, mit Sarkasmus, mit Biss.
Wenn er von China-Fragen die Nase voll hat, entgegnet er in Medienrunden trocken, dass «die meisten Kritiker keine Ahnung haben, wie wir auf dem Rasen arbeiten». Warum? «Ich sehe kaum jemanden in unseren Trainings.»
Als GC zuletzt in Sitten 2:2 spielte, war eine Momentaufnahme im Stade de Tourbillon sinnbildlich. Die Zürcher hatten sich selber um den Sieg gebracht. Auf der Tribüne blickte der GC-Präsident Sky Sun in Richtung Rasen, wo sich der Trainer, der Staff und die Spieler demonstrativ in einem Kreis versammelten.
Der Chef schaut aus der Ferne zu, wie das Personal Einheit lebt. Contini sagt: «Man muss ein Wir-Gefühl hinbringen, gegenseitiges Vertrauen kommt vor der Taktik. Wenn du Gegenwehr spürst, suchst du Gleichgesinnte. Das ist menschlich. Du gehst nicht zu dem, der dir nicht passt, sondern zu dem, der mit dir ist. Wenn aussen gesagt wird: ‹Das kann nicht sein, das kann nicht funktionieren›, dann sammelt man sich im Innern.»
Der Trainer übte sich auch schon in Provokation. Er sagte öffentlich, dass kritische Medienberichte über GC das Team anspornten. Je mehr mutmassliche Feindschaft draussen, desto mehr Zusammenrücken drinnen.
Contini wurde in Lausanne resilienter
China und Nizza sind nicht Winterthur – und nicht Vaduz, wo Contini zwischen 2012 und 2017 arbeitete. GC ist anders. «Es ist ein Unterschied, ob du für einen Kiosk oder einen Grosskonzern arbeitest», sagt er, «in einem Grosskonzern hat man den Chef nicht permanent um sich herum. Ich wurde über die Jahre resilienter, weil ich Widerstände annehme. Sie stärken mich.»
In Lausanne konnte er sich drei Jahre lang halten. Grosse Ziele, Challenge League, Aufstieg in die Super League. Doch es gab Unruhe. «Im Vergleich zu dem, was in Lausanne war, ist das, was wir mit GC erlebt haben, ein laues Lüftchen», sagt er.
Lausanne war wie ein Eisbad. Es ist mittlerweile Allgemeinwissen, wie gravierend die Ineos-Oberen den Schweizer Fussball unterschätzt haben und eine Fehlerkette legten, die kein Ende nahm und im krachenden Abstieg 2022 gipfelte. So konnte in Lausanne der Trainer vom ivoirischen Sportchef die Order erhalten, drei junge Spieler aus Côte d’Ivoire einzusetzen – zum Beispiel auf Kosten des arrivierten Stürmers Christian Schneuwly.
Das sind Belastungsproben für einen Coach. «Ich darf meinen Unmut nicht auf die Arbeit abwälzen», sagt Contini. Möglichst authentisch bleiben, vor allem gegenüber den Spielern, möglichst keine Klubpolitik, auch über sich selber lachen können. Etwas Opportunismus, Fatalismus. In Lausanne wurden seinerzeit der Sportchef und der Chefscout Knall auf Fall wegbefördert, in Zürich vor ein paar Wochen der Sportchef und der Geschäftsführer. Päng, weg.
In Zürich erhält Contini keine Befehle, wer wann einzusetzen sei. Der Klub rekrutiert die Spieler aus dem Scouting-Netz von Wolverhampton. Möchte der Trainer einen linken Verteidiger oder einen Stürmer, «kann ich nicht sagen: ‹Ich will den Heiri, den Seppli oder den Urs.› Das geht nicht», sagt Contini. Aber die Chance ist gross, dass er einen guten Spieler erhält, einen, der über einen Rucksack verfügt, der schon etwas Inhalt hat.
Spieler kommen, Spieler gehen, Wolverhampton einfach. Oder retour. Konstanz ist ein Fremdwort. Contini versucht zusammenzufügen.
Der Stürmer Guilherme Schettine hätte die Spielbewilligung früher erhalten können, heisst es im Klub. Aber in der Administration läuft nicht alles rund. Der Präsident Sky Sun versteht kein Deutsch und kein Französisch und kann bisweilen die Dokumente nicht lesen. Ihm wird erklärt, dass die Schweiz nicht England ist, dass der Fussball hierzulande nicht den grössten Stellenwert hat. Der Generalsekretär Samuel Haas ist krankgeschrieben, das sei eine «GC-Geschichte», heisst es, für Haas soll nach dem Abgang des Geschäftsführers Shqiprim Berisha alles zu viel geworden sein.
Contini arbeitet auf dem Rasen. Er muss sich nicht darum kümmern, dass sich Sky Sun in Zürich offenbar um Beziehungen foutiert, dass selbst für langjährige GC-Vertraute nicht ersichtlich wird, was «China» in Zürich vorhat. Dass der Klub im Gegensatz zur Konkurrenz in der Liga die Finanzzahlen zurückhält, dass die Klubbesitzerin Jenny Wang bei ihrem Kurzbesuch in Zürich nicht einmal auf dem Medienkanal des Klubs für ein bewegtes Bild zu haben war. Dass Bernt Haas ein Sportchef mit GC-Vergangenheit, aber kein Kommunikator ist.
Kürzlich sagten Personen, die für GC arbeiten oder die Beziehungen nach China geknüpft haben, gegenüber der «NZZ am Sonntag»: Alles sei gut, man verstehe die Kritik nicht. Ausserhalb des Klubs wird Fragezeichen um Fragezeichen gesetzt. Beileibe nicht nur in den Medien.
Aber eben: Im Moment ist die Mannschaft die Zürcher Nummer 1. Daran hält sich Contini fest. Liebe gibt’s in einer Konstellation der Entfremdung nicht gratis, sondern einzig durch Erfolg. Die sportliche Schaltzentrale ist in Wolverhampton, Contini muss das chinesisch-britische Diktat auf die Reihe kriegen. Innen kitten, was aussen brüchig ist.
Contini hatte es schon anders, enger, verknüpfter. Über seine erfolgreiche Zeit in Vaduz wird gesagt, dass er sich mit einem «wachsenden Clan» eingenistet habe, dessen Einfluss zu gross, zu gefährlich geworden sei. Damals fragten sich Spieler in der Kabine halbwegs im Ernst, ob sie den Berater wechseln müssen, wollen sie eingesetzt werden.
Den gleichen Ruf erwarb sich Contini auch in seiner Zeit als Trainer des FC St. Gallen (2017/18). Damals befand sich der Ostschweizer Klub im langwierigen und komplexen Ablösungsprozess vom langjährigen Präsidenten und Geldgeber Dölf Früh. Das Machtvakuum nutzte eine (in Vaduz bekannte) Gruppe aus, der Contini angehörte. Von «penetranter Klüngelei» war die Rede, von einer Vertragsverlängerung Continis zur Unzeit, von Verträgen für Nachwuchsspieler, die ausserhalb des Clans kein Mensch begriff.
Glitschiges Terrain. Contini spielt herunter und wehrt sich mit dem Hinweis, dass Klüngelei im Fussball gang und gäbe sei. Das sind aus heutiger Sicht in Bezug auf Contini Clan-Geschichten aus einer anderen, kleinen Welt.