Der Absturz eines Traditionsklubsvon Eva Tedesco - Dem einst als «unabsteigbar» geltenden FC Aarau droht der zweite Abstieg in Folge. Vom alten Glanz eines tapferen Traditionsklubs ist nichts mehr geblieben.
Als Gesamtorganisation verfolgt der FCA laut eigener Homepage folgende Ziele: Gesunde Finanzen, erfolgreiche Nachwuchsarbeit und Fussball in der höchsten Spielklasse. Letzteres ist seit dem Abstieg nach 29 Jahren durchgehender Erstliga-Zugehörigkeit vorbei. Nun droht dem Traditionsklub acht Runden vor Saisonschluss der zweite Abstieg in Folge. Der FCA der Gegenwart: Abgestiegen, in der Challenge League durchgereicht, ein Gerichtsverfahren von rund 1,8 Millionen am Hals, ein Stadionprojekt, das seit Jahren in der Planung feststeckt – ein Verein ohne Strukturen und kaum mehr Perspektiven.
Seit Montag auch ohne Trainer. Für Trainer Ranko Jakovljevic war die 0:1-Niederlage in Wil eine zu viel. Er wurde per sofort freigestellt. Nach nicht einmal einem Jahr. Die Entlassung des ehemaligen U21-Trainers war längst überfällig. Insider behaupten, dass Jakovljevic das Team längst nicht mehr im Griff gehabt habe. Die Spieler hätten keinen Respekt mehr gehabt und gemacht, was sie wollten. Der Mannschaft fehle es an jeglichem Biss und Kampfgeist. Die Folge: Der Super-League-Absteiger wurde in der Challenge League durchgereicht.
Der Untergang eines «Flickwerks»
Zwar hat die Vereinsleitung um Präsident Alfred Schmid versucht, im Winter noch die Reissleine zu ziehen und mit dem ehemaligen GC-Spieler Aleksandar Mitreski die löchrige Defensive zu verstärken, das eigentlichen Problem – fehlendes Know-how im sportlichen Bereich – konnte nie kaschiert werden. Der Untergang des «Flickwerks» FC Aarau hat aber schon weit vor der Wahl Schmids zum Präsidenten im Sommer 2007 begonnen. Unter seinem Vorgänger Christian Stebler und Sportchef Fritz Hächler. Beide unbeliebt, aber stur.
Ausser unsinnig viel Geld für No-Name-Fussballer aus Moldawien auszugeben, brachte es der Bauer im Amt des Sportchefs fertig, Identifikationsfiguren wie Fréderic Page zu vertreiben. Der heutige Xamaxien und einstige FCA-Junior wäre gern in Aarau geblieben. Letztendlich seien die Vertragsverhandlungen an einer Differenz von monatlich 1500 Franken gescheitert. Spieler mit Herz wie Ivan Benito, Rainer Bieli oder eben Page wurden vergrault. Man liess sie ziehen. Genauso wie die Trainer Ryszard Komornicki und Jeff Saibene. Allesamt Leute aus der Region, mit Bezug zum Verein und vor allem mit Herz für den FC Aarau. Verpflichtet wurden teure Söldner, wie zum Beispiel Frances Kioyo. Ausgerüstet mit einem 3-Jahres-Vertrag kam 2009 der bullige Stürmer aus der zweiten Bundesliga ins Rüebliland. Im Frühjahr 2010 wurde sein Vertrag aufgelöst. Nach lediglich sieben Partien für den FCA in dieser Zeit. Er soll monatlich 16 000Franken verdient haben.
Weniger Söldner, dafür mehr Identifikation
Man sagt: Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken. Will der FCA seinen freien Fall noch rechtzeitig stoppen, braucht es mehr als eine Notlösung. Es braucht wieder eine Basis. Und Strukturen. Es braucht einen erfahrenen, kompromisslosen Trainer, der in Kürze etwas bewegen kann und in der Lage ist, einen Neuaufbau zu starten. Mit weniger teuren Söldnern und mehr Akteuren aus der Region. Es braucht dringend einen Sportchef, der einen geordneten Betrieb ermöglicht. Und zwar von der ersten Mannschaft bis zum Nachwuchs. Ein Sachkundiger, der dem nicht fussball-sattelfestem VR Paroli bieten kann und mithilft, Lösungen auszuarbeiten.
Laut «Aargauer Zeitung» sollen die Vereinsverantwortlichen bereits fündig geworden sein. Als möglichen Nachfolger will man Chiasso-Trainer Raimondo Ponte in Aarau installieren, sofern die Tessiner den ehemaligen GC- und Aarau-Spieler freigeben. Im Zusammenhang mit dem Amt des Sportchefs taucht aus verschiedenen unabhängigen Quellen der Name von René Weiler auf. Weiler, der schon beim FC St. Gallen als Sportchef Erfahrung sammeln konnte, ist derzeit als Trainer beim FC Schaffhausen tätig. Für Interimstrainer Thomas Binggeli und seine Mannschaft geht es aber schon am Mittwoch gegen den Tabellennachbarn Locarno weiter. Eine Niederlage wäre gleichbedeutend mit dem Abrutschen auf den ersten Abstiegsplatz.
20min.ch