Wer denkt an die Kinder?
Vorsicht: Das wird hier sehr persönlich, aber in der heutigen Zeit, WO Medienschaffende bis zu
kinderlosen Bundesrätinnen ständig mit dem Satz: Wer denkt an die Kinder? glänzen wollen, wird es Zeit, ein kleines Essay über Fussballfans und ihre Kinder zu schreiben.
Letzten Mittwoch konnte ich es nicht mehr mit Notwehr Attitüden verhindern, ich hatte am letzten Sonntag in der Zone, dem Zauberhaus, OUR HOUSE – MADNESS, zu vielen Akteuren versprochen, ich bin dabei im legendären Extrazug nach Schaffhausen. Im Wagen 2 / DE WAGE ZWÖI! ging es mit gutgelaunten Szeneerprobten Granden an die Deutsch-Schweizer Grenze. Kleiner Besuch im Wagen 1, bei der Elite, die so gar nicht elitär daherkam: Frische Berliner Luft, ein paar Sprüche zu Ungunsten des Spenders, aber grundsätzlich sehr viele zufriedene Gesichter, weil der Maré auch wiedermal mit seinem uralten SE Schal dabei war.
Immer wieder tauchte die durchaus ernst, aber vielleicht auch philosophische Frage auf: Wieso nach ca. 8 Jahren wieder im Extrazug? Was war dazwischen? Hmmm…nur billige Ausreden! Frau, Kinder, Sonntag lieber (hahaha, ich muss lachen) auf der Krienseregg auf einem Spielplatz, wo Frauen Männer zusammenschreien, weil er die falschen Würste eingepackt hat. Eigentlich so ziemlich alles tobt sich dort Oben, im Glanz des heiligen Familienlebens, im Licht der herrlichen Sonne, quasi eigentlich das was ich nicht will in meinem Leben. Hat aber eine Weile gedauert, bis diese selbstbelügenden Ausflüge als problematisch anerkannt wurden.
Herbst 2021, Kurzschluss, Extraschiff nach Buochs ans Cupspiel, ich bin für die Kids (5.5 und 3.5) jedes zweite Weekend verantwortlich und entscheide mich: Ich will mit den Kids, der USL und Fans diesen Trip machen. Es ist nicht so, dass meine Kinder fernab des FC Luzern erzogen wurden, nach dem Cupfinal sangen sie den überragenden Song von der Kurve und Henrik Belden. Das ist aber wohl eher der guten Kita Campus geschuldet. Meine Ex Frau war und ist aber auch Fussball Fan, mehr Deutschland, aber in der Schweiz sicher nur der FCL. Auf dem Schiff, wo ich mein Handy mit Musik für die Meute einstecken durfte, war ich am Schluss der Einzige mit Nachwuchs. Überraschte mich, aber ich hab viele Jungs der Nord Boyz, Formation, Zaungäste, Bajos und Konsorten verstanden, es war ja schliesslich Samstag und meine Konstellation mit den alternierenden Weekends der Betreuung haben sie wohl auch nicht. Aber die Fahrt, die ehrliche Liebe der Szene mit den Kids war grossartig, so dass sie am Abend ständig Cupsiegerjungs trällerten. Es ging mir ein Licht auf: Kinder sind unglaublich begeisterungsfähig, sie haben aber auch ein gutes Gefühl für den richtigen Moment: Geben lieber den verletzten Hools die Hand, als dem lieben Kumpel und Glace spendierenden Onkel Skajunge.
Während der Fahrt von Luzern nach Buochs über den glitzernden Vierwaldstättersee, ich war grad mit dem 4fachen Familienvater der FL im Chat, da kommt meine Tochter und meint: Papa, das esch jo fascht echli Fasnacht. Alle auf der Bank grinsten: FCL und Fasnacht, beides gehört zu Luzern wie der beständige Wasserturm, wie mittlerweile die Zone 5 am Bundesplatz und der in der Schweiz Subkultur ungeschlagene Sedel. Mein Sohn vergnügte sich lieber drinnen, der war nicht aus der Ruhe zu bringen. Er fühlte sich wohl im Gewühl der Ultras, beobachtete und erzählte am Abend vor dem Einschlafen. Das hatte er vorher noch nie gemacht. Görpssiegerjungs…passt auch.
Für mich war die Schiffsfahrt eine klare innere Ansage: FCL, resp. Fussball mit Kindern ist in der aktiven Szene sowas von möglich, im Gegenteil: Mittlerweile gibt es so viele Szenegrössen, die mit den Kids ins Stadion pilgern, dass man sich fragen muss:
Kinderlose Bundesrätinnen wollen uns sagen: Es ist zu gefährlich für den Nachwuchs? Wissen Sie überhaupt, wie gut aufgehoben die Kinder im Block sind? Und wissen Sie auch, dass diese Schweinerei von Zürich einfach NIX, einfach NIX mit der Arbeit der Schweizer Kurven zu tun hat? Und ich weiss es: Die Südkurve regelt das wieder selber.
Die Kinder wollen Party, wollen Singen, wollen tanzen und sie wollen ihren farbigen Schal tragen und später den ersten Doppelhalter bemalen, obwohl der etwas Rosa drin hat, weil der Schiri Rosa trägt. Und das muss man halt auch mal zulassen als Mama oder Papa. Lieber Rosa als…ähmm…lassen wir das…auch die im fernen Osten werden gestehen müssen: Mir geht’s genau gleich mit den Kinder, wie dem komischen Luzerner.
Ich danke den United Supportes Luzern, der Fanarbeit und allen anderen unglaublich kreativen Gestalten, dass wir unseren Fussball nicht nehmen lassen.
BTW: Die Grosseltern meiner Kids sind an jedem Heimspiel, wie schon ihr Urgrossvater die Derbys gegen die Kickers besucht hatte und am Abend völlig aufgelöst nach Hause kam und sagt: Trotz Niederlage, mer gönd weder. Und ein paar Wochen später nahm er meine Mutter mit ans Spiel…zum ersten Mal, Ende 50er Jahren.